Aktuelle Rechtsprechung

Webcontent Recht Basis 05-2024

Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 05-2024:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht

Betriebsräte: Betriebsverfassungsrechtlicher Schulungsanspruch: Webinar statt Präsenzschulung?

| Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) haben Betriebsräte Anspruch auf für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Schulungen, deren Kosten der Arbeitgeber tragen muss. Davon können Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein auswärtiges Präsenzseminar auch dann erfasst sein, wenn derselbe Schulungsträger ein inhaltsgleiches Webinar anbietet. So entschied es das Bundesarbeitsgericht (BAG). |

Arbeitgeberin verweigerte Erstattung von Übernachtungs- und Verpflegungskosten

Bei der Arbeitgeberin einer Fluggesellschaft ist durch Tarifvertrag eine Personalvertretung (PV) errichtet, deren Schulungsanspruch sich nach dem BetrVG richtet. Die PV entsandte zwei ihrer Mitglieder zu einer mehrtägigen betriebsverfassungsrechtlichen Grundlagenschulung Ende August 2021 in Potsdam. Hierfür zahlte die Arbeitgeberin die Seminargebühr, verweigerte aber die Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten.

Dies begründete sie vor allem damit, die Mitglieder der PV hätten an einem zeit- und inhaltsgleich angebotenen mehrtägigen Webinar desselben Schulungsanbieters teilnehmen können. In dem von der PV eingeleiteten Verfahren hat diese geltend gemacht, dass die Arbeitgeberin auch die Übernachtungs- und Verpflegungskosten tragen muss. Hierzu haben die Vorinstanzen die Arbeitgeberin verpflichtet.

Bundesarbeitsgericht: Betriebsrat hat Spielraum

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Ebenso wie ein Betriebsrat hat die PV bei der Beurteilung, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder entsendet, einen gewissen Spielraum. Dieser umfasst grundsätzlich auch das Schulungsformat. Dem steht nicht von vornherein entgegen, dass bei einem Präsenzseminar im Hinblick auf die Übernachtung und Verpflegung der Schulungsteilnehmer regelmäßig höhere Kosten anfallen als bei einem Webinar.

Quelle | BAG, Beschluss vom 7.2.2024, 7 ABR 8/23, PM 5/24

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Fehlverhalten: Schwenken eines Filetiermessers kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen, muss es aber nicht

| Wer mit einem äußerst scharfen Filetiermesser hantiert, muss besonders sorgfältig agieren, um Verletzungen von Kollegen auszuschließen. Nicht jeder Fehlgebrauch rechtfertigt aber eine Kündigung ohne vorherige einschlägige Abmahnung. Dies hat wie bereits zuvor das Arbeitsgericht (ArbG) Lübeck auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein entschieden. |

Kollegin Messer an den Hals gehalten

Der 29-jährige Kläger ist bei der Beklagten seit Juni 2019 als Industriemechaniker beschäftigt. Am 1.6.2022 arbeitete er mit einer Mitarbeiterin und einem Mitarbeiter an einem Probierstand. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger der Mitarbeiterin ein Filetiermesser mit einer Klingenlänge von 20 cm mit einem Abstand von 10 bis 20 cm an den Hals hielt und damit deren Leib und Leben bedrohte. Die Beklagte kündigte dem Kläger daraufhin am 14.7.2022 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.10.2022.

Kündigungsschutzklage erfolgreich

Die Kündigungsschutzklage des Klägers war in zwei Instanzen erfolgreich. Sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung waren unwirksam. Es fehlte an einem hinreichenden Kündigungsgrund. Zwar kommt eine ernstliche Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib oder Leben u. a. von Arbeitskollegen als „an sich“ als wichtiger Grund für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung in Betracht. Dies setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer mit dem Willen handelt, dass der Kollege die Drohung zur Kenntnis nimmt und als ernst gemeint auffasst.

Vorsatz war nicht nachzuweisen

Selbst den Vortrag der Beklagten als zutreffend unterstellt, konnte jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts auf einen bedingten Vorsatz beim Kläger geschlossen werden. Vielmehr war es auch möglich, dass der Kläger das Messer schlicht in der rechten Hand haltend sich mit dem Oberkörper zur Mitarbeiterin gedreht hat und bei dieser Drehbewegung dessen rechte Hand mit dem Messer nahe an deren Hals gelangt ist.

Verhältnismäßigkeit muss gewahrt werden

Die Kündigungen konnten auch nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger allein durch das Hantieren mit dem Messer Leib und Leben der Mitarbeiterin objektiv und fahrlässig gefährdet hat. Der unsachgemäße Umgang mit einem Messer stellt zwar eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Diese hätte nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den Ausspruch einer fristlosen oder fristgerechten Kündigung nur gerechtfertigt, wenn der Kläger zuvor wegen einer ähnlichen Pflichtverletzung abgemahnt worden wäre. Insbesondere steht auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht zur Überzeugung des Landesarbeitsgerichts fest, dass der Kläger das Messer bewusst und aktiv an den Hals der Mitarbeiterin gehalten hat.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.7.2023, 5 Sa 5/23

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Kündigungsschutz: Betriebsschließung: Massenentlassung und Sozialauswahl

| Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gekündigt worden, ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. So sieht es das Kündigungsschutzgesetz (hier: § 1 KSchG) vor. Diesen Grundsatz hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf jetzt noch einmal bekräftigt. |

Das war geschehen

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1.2.2012 beschäftigt. Die Beklagte beschäftigte in ihrem einzigen Betrieb zuletzt knapp 600 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Am 1.3.2022 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Der Sachwalter und der Gläubigerausschuss stimmten der Einstellung der Geschäftstätigkeit zum 31.12.2022 zu.

Nachdem die Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs am 24.11.2022 durch Spruch der Einigungsstelle für gescheitert erklärt wurden, stellte die Beklagte am 28.11.2022 Anträge auf behördliche Zustimmungen zur betriebsbedingten Kündigung nach dem SGB IX (schwerbehinderte Menschen) und BEEG (Elternzeit). Den Beschäftigten wurde die Gelegenheit eingeräumt, in eine Transfergesellschaft zu wechseln. Im Dezember 2022 sprach die Beklagte gegenüber allen Beschäftigten betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus, soweit das Ende des Arbeitsverhältnisses nicht aus anderen Gründen feststand.

Alle Mitarbeitenden, auch der Kläger, wurden ab dem 1.1.2023 unwiderruflich freigestellt. Ausgenommen waren die Beschäftigten des Abwicklungsteams, das ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Anlage 53 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umfasste, wobei gegenüber dreizehn Personen Kündigungen zum 31.3.2023 und gegenüber den übrigen vierzig Personen Kündigungen zum 30.6.2023 ausgesprochen wurden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 16.12.2022 zum 31.3.2023.

Erfolgreiche Kündigungsschutzklage nicht aufgrund Gesetzeslage…

Die vom Kläger hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte vor dem LAG Düsseldorf ebenso wie zuvor beim Arbeitsgericht (ArbG) Solingen Erfolg. Dies folgte zwar nicht aus § 17 KSchG i. V. m. § 134 BGB wegen einer nicht ordnungsgemäßen Massenentlassungszeige. Etwaige Fehler in diesem Zusammenhang stellen keinen Unwirksamkeitsgrund dar, weil Zweck der Anzeige nicht der Individualschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist.

…sondern aufgrund fehlerhafter Sozialauswahl

Die Kündigung war indes aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) rechtsunwirksam, wie es bereits das ArbG zutreffend ausgeführt hatte. Bei einer etappenweisen Betriebsstillegung hat der Arbeitgeber keine freie Auswahl, wem er früher oder später kündigt. Es sind grundsätzlich die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit den Abwicklungsarbeiten zu beschäftigen.

Fehlerhafte Vergleichsgruppen

Die Beklagte hatte hier die Sozialauswahl methodisch fehlerhaft durchgeführt, weil sie die Vergleichsgruppen fehlerhaft gebildet hatte. So hatte sie diese u.a. anhand der ursprünglich ausgeübten Tätigkeiten gebildet. Sie hätte die soziale Auswahl stattdessen anhand der noch im Abwicklungsteam anfallenden Tätigkeiten vornehmen müssen, zu denen die Beklagte nur unvollständig vorgetragen hatte. Es fehlte weitgehend an Vortrag dazu, welche Aufgaben mit welcher Dauer im Abwicklungsteam anfielen, welche Anforderungsprofile dafür erforderlich waren und wie auf dieser Grundlage ein Vergleich vorgenommen werden soll. Die daraus folgende Vermutung der fehlerhaften Sozialauswahl hatte die Beklagte auch in zweiter Instanz nicht widerlegt.

Das LAG hat die Revision nicht zugelassen.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 9.1.2024, 3 Sa 529/23, PM 2/24

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Baurecht

Brandschutz: Fenster in Brandwänden sind unzulässig und zu verschließen

| Öffnungen in Brandwänden sind unzulässig und deshalb auf Aufforderung der Bauaufsichtsbehörde auch zu verschließen, wenn der angrenzende Nachbar sich mit diesen einverstanden erklärt hat und die Behörde erst nach längerer Zeit gegen den baurechtswidrigen Zustand vorgeht. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |

Nachbar stimmte Einbau von Fenstern zu

Das Wohngebäude der klagenden Grundstückseigentümer steht auf der Grenze zum Nachbargrundstück. Die grenzständige Brandwand des Gebäudes wies zunächst an zwei Stellen Glasbauflächen auf. Im Jahr 2009 wurde eine Glasbaufläche durch ein öffenbares Fenster ersetzt, einige Jahre später kam es an der zweiten Stelle zu einem Fenstereinbau. Daraufhin gab der Beklagte, die Bauaufsichtsbehörde, den Klägern auf, die Fenster zu beseitigen und die dabei entstehenden Öffnungen feuerbeständig zu verschließen. Die Kläger wandten sich gegen die Anordnung und machten geltend, der unmittelbar angrenzende Grundstücksnachbar habe schriftlich erklärt, mit den Fenstern einverstanden zu sein. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid im Wesentlichen zurückgewiesen, verlangte aber nur noch einen hochfeuerhemmenden Abschluss der Brandwand. Die Kläger verfolgten die Aufhebung der Anordnung mit einer Klage weiter. Sie führten zusätzlich an, infolge der Zustimmung des Nachbarn und des jahrelangen Nichteinschreitens der Bauaufsichtsbehörde sei bei ihnen ein Vertrauenstatbestand entstanden, der eine baubehördliche Anordnung ausschließe. Das VG wies die Klage ab.

Brandwände: Öffnungen unzulässig

In Brandwänden seien Öffnungen von Gesetzes wegen unzulässig. Von der gesetzlichen Vorgabe dürfe nur ausnahmsweise unter Beachtung des öffentlichen Interesses des Schutzes der Allgemeinheit vor Brandgefahr und des Bauinteresses des Bauherrn abgewichen werden. Das Einverständnis eines Nachbarn zur Abweichung von dem Öffnungsverbot allein mindere das allgemeine Brandschutzbedürfnis nicht, zumal wenn wie hier ein weiterer Nachbar durch die betreffende Brandschutzwand gesetzlich geschützt werde, dieser der Baumaßnahme aber nicht zugestimmt habe.

Der Beklagte habe seine Befugnis zum Einschreiten gegen den baurechtswidrigen Zustand auch nicht verwirkt, weil er trotz dessen Kenntnis über längere Zeit hinweg nicht eingeschritten sei. Eingriffsbefugnisse auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr unterlägen nicht der Verwirkung durch die Verwaltung. Die bloße Untätigkeit der Bauaufsichtsbehörde könne auch kein Vertrauen beim Bauherrn begründen, dass die Behörde nicht mehr gegen die rechtswidrige Baumaßnahme vorgehen werde. Die Kläger könnten sich deshalb auch nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen, weil sie eigenmächtig die Glasbausteine durch Fenster ersetzt hätten, ohne zuvor den notwendigen Bauantrag gestellt oder die Baubehörde sonst einbezogen zu haben.

Quelle | VG Mainz, Urteil vom 6.12.2023, 3 K 39/23.MZ, PM 1/24

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Festpreisvereinbarung: Preisanpassung beim Bauvertrag aufgrund von Materialkostensteigerungen

| Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat entschieden: Ein Bauunternehmen kann die zu einem Festpreis vereinbarte Errichtung eines Massivhauses nicht unter Verweis auf unvorhersehbare Materialpreissteigerungen verweigern, wenn es eine Formularklausel in den Bauvertrag eingebracht hat, die ihm eine unbegrenzte einseitige Anpassung der Vergütung ermöglicht. |

Bauvertrag des Bauunternehmens unterzeichnet

Das klagende Ehepaar und das beklagte Bauunternehmen schlossen im Dezember 2020 einen Vertrag, in dem sich das Unternehmen dazu verpflichtete, auf dem Grundstück der Kläger ein Massivhaus zu einem Pauschalpreis von rund 300.000 Euro zu errichten. Hierzu verwendeten die Parteien ein Vertragsmuster des Unternehmens, in dem es heißt, dass beide Seiten bis zum Ablauf eines Jahres ab Vertragsunterzeichnung an den vereinbarten Preis gebunden seien, wenn innerhalb von drei Monaten nach Vertragsschluss mit den Bauarbeiten begonnen werde. Unter Verweis auf diese Bestimmung teilte das Unternehmen den Eheleuten im Juni 2021 mit, dass sich der vereinbarte Preis um etwa 50.000 Euro erhöhe. Es begründete den Schritt mit außerordentlichen und nicht vorhersehbaren Preissteigerungen beim Baumaterial.

Bauherren akzeptierten Preiserhöhung nicht

Das Ehepaar akzeptierte die Preiserhöhung nicht und forderte das Unternehmen seinerseits auf, mit den Bauarbeiten zu beginnen. Auf die Weigerung des Unternehmens erklärten die Eheleute die Vertragskündigung und beauftragten ein anderes Bauunternehmen mit der Errichtung eines Massivhauses zu einem höheren als dem mit der Beklagten vereinbarten Festpreis.

Wer trägt Mehrkosten?

Mit ihrer Klage haben die Eheleute verlangt, festzustellen, dass das beklagte Bauunternehmen verpflichtet ist, ihnen Mehrkosten bei der Errichtung des Hauses zu ersetzen, die deshalb entstehen, weil das Unternehmen sich geweigert hat, den Vertrag zum vereinbarten Preis zu erfüllen.

So entschieden die gerichtlichen Instanzen

Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben. Hiergegen hat das Bauunternehmen Berufung eingelegt. Es hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass eine Errichtung des Hauses zum ursprünglich vereinbarten Preis existenzbedrohend und ihm daher nicht zumutbar gewesen sei.

Das OLG hat das Bauunternehmen auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung hingewiesen, woraufhin es sein Rechtsmittel zurückgenommen hat. Zur Begründung hat das OLG ausgeführt, dass den Eheleuten der geltend gemachte Ersatz zustehe. Die Weigerung des Unternehmens, zum vereinbarten Preis zu erfüllen, habe sie zur Vertragskündigung und zur Beauftragung eines anderen Unternehmens veranlasst. Hierauf zurückzuführende Mehrkosten des Baus müsse das Unternehmen ersetzen.

Bauunternehmen schuldete den Hausbau zum Festpreis

Das Bauunternehmen habe den Bau des Hauses zum vereinbarten Festpreis geschuldet. Die Preisanpassungsklausel im Vertrag sei unwirksam gewesen. Sie benachteilige die Kunden des Unternehmens unangemessen, wenn es die vereinbarte Vergütung durch die Festlegung der Listenpreise ohne Begrenzung einseitig anheben könne. Die Kunden könnten der Bestimmung bei Vertragsschluss nicht entnehmen, mit Preissteigerungen welchen Umfangs sie zu rechnen hätten.

Bauunternehmen hatte Risikoabsicherung in der Hand

Gerade Besteller eines Neubaus seien darauf aber in besonderem Maße angewiesen. Häufig sei die Finanzierung auf den Festpreis ausgerichtet, sodass schon vermeintlich geringfügige Änderungen die Kunden an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bringen könnten. Das Unternehmen habe die Vertragserfüllung zum vereinbarten Preis auch nicht verweigern dürfen, weil sich die Vertragsgrundlage aufgrund unvorhersehbarer Materialpreissteigerungen geändert habe, denn es habe bei Vertragsschluss die Möglichkeit gehabt, sich mit einer Bestimmung gegen dieses Risiko abzusichern, die auch den Interessen seiner Kunden Rechnung getragen hätte.

Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.7.2023, 5 U 188/22, PM vom 15.2.2024

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Familien- und Erbrecht

Erbrecht: Sittenwidrigkeit eines Testaments zugunsten einer Berufsbetreuerin

| Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat entschieden: Ein (notarielles) Testament kann sittenwidrig sein, wenn eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einem von ihr herangezogenen Notar in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen. |

Das war geschehen

Eine 92 Jahre alte Frau, deren einzige noch lebende Angehörige ihre Tochter war, befand sich wegen ihres Gesundheitszustands ab Anfang September 2022 im Krankenhaus. In den letzten Tagen vor dem Tod ihrer Tochter, die sich zuvor um die Angelegenheiten der Mutter gekümmert hatte, teilten die beiden das Krankenzimmer. Zwei Tage nach dem Tod der Tochter noch im September 2022 bestellte das Amtsgericht (AG) für die Frau während des Krankenhausaufenthalts eine Berufsbetreuerin.

Anfang Oktober 2022 erfolgte mit Notarztbegleitung die Einweisung in ein anderes Krankenhaus. Nur kurz war die Frau zwischen den beiden Krankenhausaufenthalten in einer Pflegeeinrichtung untergebracht. Während des zweiten Krankenhausaufenthalts beauftragte die Berufsbetreuerin einen Notar mit der Erstellung eines notariellen Testaments für die Frau. Im Krankenhaus beurkundete der Notar ein Testament der Frau, mit dem sie die Berufsbetreuerin zur Alleinerbin einsetzte. Den Wert des Vermögens gab sie mit 350.000 Euro an. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus Mitte Oktober 2022 nahm die Berufsbetreuerin die Frau bei sich zu Hause auf. Vier Tage danach starb die Frau dort eines natürlichen Todes.

Verstoß gegen die guten Sitten

§ 138 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) lautet: Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. Das OLG ist hier davon ausgegangen, dass das notarielle Testament sittenwidrig und damit nichtig ist und die Berufsbetreuerin deshalb hieraus für sich keine Rechte herleiten und insbesondere keinen Erbschein ausgestellt erhalten kann.

Das OLG: Ein notarielles Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin kann sittenwidrig sein. Hier sei dies aufgrund des hohen Alters der Erblasserin, ihrer schlechten gesundheitlichen Verfassung, ihrem Gemütszustand nach dem Tod ihrer Tochter, den Umständen im Zusammenhang mit der notariellen Beurkundung sowie dem engen zeitlichen Ablauf zwischen Einrichtung der Betreuung und der Testierung der Fall.

Der Beschluss ist rechtskräftig.

Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 9.1.2024, 6 W 175/23, PM vom 25.1.2024

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Kostenbeitragsverordnung: Kfz-Kosten einkommensmindernd bei jugendhilferechtlichem Kostenbeitrag

| Bei der Erhebung eines jugendhilferechtlichen Kostenbeitrags können die Kosten eines Kraftfahrzeugs nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben einkommensmindernd zu berücksichtigen sein. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |

Sohn erhielt Eingliederungshilfe

Der beklagte Landkreis gewährte für den Sohn der Klägerin Eingliederungshilfe in Form der vollstationären Unterbringung nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) und zog die Klägerin zu einem Kostenbeitrag aus ihrem Einkommen heran. Mit ihrer gegen die Höhe des Kostenbeitrags gerichteten Klage machte sie insbesondere geltend, dass für die mit ihrem Kfz durchgeführten Fahrten zu ihrer Arbeitsstätte höhere Kosten sowie die unter anderem auf die Anschaffung des Kfz entfallenden Kosten eines Kredits hätten einkommensmindernd berücksichtigt werden müssen.

Die Klage hatte sowohl vor dem Verwaltungsgericht (VG) als auch vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Erfolg. Die Vorinstanzen haben die beruflich bedingten Fahrtkosten nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben ermittelt und auch die geltend gemachten Finanzierungskosten für das genutzte Kfz vollumfänglich einkommensmindernd berücksichtigt. Hiergegen wandte sich der Beklagte mit seiner Revision. Das BVerwG hat nun das Urteil des OVG aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.

Belastungen sind abzuziehen

Nach den gesetzlichen Regelungen (hier: §§ 91 ff. SGB VIII) zieht der Jugendhilfeträger Eltern aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten heran, wenn er für ihr Kind vollstationäre Eingliederungshilfe erbringt. Weil die teil- bzw. vollstationären Angebote auch die Sicherstellung des notwendigen Unterhalts des untergebrachten Kindes oder jungen Menschen umfassen und insoweit zum Erlöschen der darauf gerichteten zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche führen, tritt der öffentlich-rechtliche Kostenbeitrag an die Stelle von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen. Für die Festsetzung der Kostenbeiträge bestimmt die Kostenbeitragsverordnung nach Einkommensgruppen gestaffelte Pauschalbeträge. Vom Einkommen sind Belastungen des kostenbeitragspflichtigen Elternteils in Höhe von 25 vom Hundert des Einkommens abzuziehen. Höhere Belastungen können abgezogen werden, soweit sie nach Grund und Höhe angemessen sind und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzen. In Betracht kommen insbesondere mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben sowie Schuldverpflichtungen, die der Kostenbeitragspflichtige nachzuweisen hat.

Unterhaltsrechtliche Maßstäbe entscheidend

Danach können auch Kosten für die Fahrt mit dem eigenen Kfz zur Arbeitsstätte einkommensmindernd zu berücksichtigen sein. Diese Kosten sind nicht nach sozialhilfe- oder steuerrechtlichen, sondern nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben zu ermitteln. Sie kommen insbesondere in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien desjenigen Oberlandesgerichts (OLG) zum Ausdruck, das für die gegen den Elternteil gerichtete Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs zuständig wäre. Dementsprechend sind diese Belastungen regelmäßig in Form einer sämtliche Kfz-Kosten (einschließlich Finanzierung) erfassenden Wegstreckenpauschale sowohl für den Weg zur Arbeitsstätte als auch für den Heimweg anzusetzen.

Dafür spricht vor allem, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung der Berechnungsregelungen auch den Zweck verfolgte, Wertungswidersprüche zum Unterhaltsrecht zu vermeiden und die Kostenbeteiligung insofern an den Unterhaltsanspruch des Kindes anzulehnen, der Grund und Grenze der Kostenbeitragspflicht darstellt.

Daneben können Kfz-Finanzierungskosten einkommensmindernd zu berücksichtigen sein, wenn und soweit die Haltung eines Kfz außerhalb der bereits durch die Wegstreckenpauschale vollständig abgedeckten Nutzung für den Arbeitsweg nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben anzuerkennen ist. Eine doppelte Berücksichtigung von Finanzierungskosten ist auszuschließen. Soweit die Belastungen angemessen sind und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzen, sind sie ohne Ermessensspielraum der Behörde einkommensmindernd zu berücksichtigen.

Da das OVG zu den maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen hinsichtlich der Kfz-Nutzung sowie zu weiteren als einkommensmindernd geltend gemachten Positionen keine hinreichenden Feststellungen getroffen hat, war die Sache an dieses zurückzuverweisen.

Quelle | BVerwG, Urteil vom 18.1.2024, 5 C 13.22, PM 1/24

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Vaterschaftsfeststellung: Nutzen einer Dating-Plattform begründet keinen Zweifel an Vaterschaft

| Ein Kennenlernen über eine Dating-Plattform allein begründet keine schwerwiegenden Zweifel gegen die gesetzliche Vaterschaftsvermutung wegen Verdachts des Mehrverkehrs. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. |

Wer ist Vater des Kindes?

Die Antragstellerin begehrte vor dem Amtsgericht (AG) festzustellen, dass der B. ihr Vater ist. Dies stellte das AG antragsgemäß fest.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde des B. hatte vor dem OLG nach einer Beweisaufnahme und Einholen eines Abstammungsgutachtens keinen Erfolg. Das OLG: Die Übereinstimmung sämtlicher untersuchter genetischer Merkmale von Mutter, Kind und B. zusammen mit den im Verfahren gewonnenen Erkenntnissen zur Beiwohnung der Mutter seitens des B. im fraglichen Zeitraum machten die Vaterschaft so wahrscheinlich, dass sich daraus ein überaus hoher Grad an Gewissheit für diese ergebe.

Die Mutter habe glaubhaft bekundet, dass der B. ihr „während der gesetzlichen Empfängniszeit … beigewohnt hat“. Damit bestehe bereits eine gesetzliche Vermutung für die Vaterschaft.

Keine schwerwiegenden Zweifel an der Vaterschaft

Der Vortrag des B. führe zu keinen schwerwiegenden Zweifeln an seiner Vaterschaft. Für derartige schwerwiegende Zweifel reiche ein nur möglicher, aber weder wahrscheinlicher noch bewiesener Mehrverkehr nicht aus. Insbesondere aus der Tatsache, dass sich die Mutter der Antragstellerin und B. über ein Internetportal kennengelernt hätten, dränge sich nicht auf, dass die Mutter in der Empfängniszeit noch mit anderen geschlechtlich verkehrt habe. Genauere Angaben des B. dazu, mit welchen Personen, wann und wo die Mutter der Antragstellerin Geschlechtsverkehr gehabt haben soll, fehlten.

Aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten errechne sich zudem eine Wahrscheinlichkeit für die Vaterschaft des B. von über 99,99 %. An der Zuverlässigkeit und Verwertbarkeit des Gutachtens bestünden keine Zweifel.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 1.2.2024, 1 UF 75/22, PM 18/24

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Mietrecht und WEG

WEG-Versammlung: Online-Teilnahme ohne Beschluss und schriftliche Vollmacht

| Die Video-Teilnahme an einer Versammlung ohne Gestattungsbeschluss ist kein Anfechtungsgrund. Die fehlende Vorlage einer Vollmacht bei anderweitiger Information ist unschädlich. So entschied es das Landgericht (LG) München. |

„Hybride“ WEG-Versammlung

In der Wohnungseigentümerversammlung waren einige Wohnungseigentümer und der Verwalter persönlich anwesend, ein weiterer Eigentümer war so der Verwalter „inoffiziell“ per „Video“ zugeschaltet. Die Gemeinschaft hatte keine Online-Teilnahme gestattet. In der Versammlung hörte und sprach der Online-Teilnehmer trotz schlechter Übertragungsqualität mit, nahm aber nicht an der Abstimmung teil, weil er dem Verwalter sein Stimmrecht mündlich übertragen hatte. Beschlossen wurde eine Fassadensanierung für rund 65.000 Euro. Der Beschluss wurde angefochten, u. a. wegen der Online-Teilnahme. Vor dem Amtsgericht (AG) hatte die Klage Erfolg.

Wirksame Stimmabgabe durch den Verwalter

Das LG sah es anders: Die Stimmabgabe durch den Verwalter für den online teilnehmende Miteigentümer sei wirksam gewesen. Die nicht erfolgte Vorlage der Vollmacht im Original in der Eigentümerversammlung sei unschädlich. Zwar bedürfe es nach dem Wohnungseigentumsgesetz (hier: § 25 Abs. 3 WEG) der Textform. Zwischen dem Vorhandensein einer Vollmacht und der Vorlage derselben sei jedoch zu unterscheiden. So könne ein Bevollmächtigter, der seine Vollmachtsurkunde nicht vorlege, gemäß § 174 BGB mit der Folge zurückgewiesen werden, dass er trotz Vorhandensein der Vollmacht von der Vollmacht keinen Gebrauch machen könne.

Es könne dahinstehen, ob nur der Verwalter ein solches Zurückweisungsrecht habe oder jeder Miteigentümer. Gemäß § 174 S. 2 BGB (analog) bestehe kein Zurückweisungsrecht, wenn der Bevollmächtigende die übrigen Wohnungseigentümer über die Vollmachtserteilung anderweitig informiert habe. Dass die Miteigentümerin dem Kläger gegenüber per Videotelefonat die Vollmacht über ihr Handy, wenn auch für den Kläger nicht sichtbar bekundet habe, trage er selber vor. Eine Unwirksamkeit des mit Vollmacht ausgeübten Stimmrechts komme daher nicht in Betracht.

Video-Teilnahme des Eigentümers begründet keinen Beschlussmangel

Der Umstand, dass die Eigentümerversammlung von ihrer Beschlusskompetenz nach § 23 Abs. 1 S. 2 WEG keinen Gebrauch gemacht habe, sei unerheblich. Denn auf die Möglichkeiten der Beschlussanfechtung, die bei der Gestattung einer Online-Teilnahme in Verbindung mit der Frage des Funktionierens der Übertragung und der Ausübung der Teilnahmerechte einhergehe, komme es hier nicht an, da ein solcher Beschluss gerade nicht vorliege.

Kein Verstoß gegen das Teilnahmerecht

Auch sei nicht gegen das Teilnahmerecht verstoßen worden. Die Meinungskundgabe sei Ausfluss des Teilnahmerechts und nicht per se Ausdruck einer Rechtswidrigkeit. Damit die Ausübung des Rederechts einen formellen Mangel begründe, bedürfe es daher eines Verstoßes gegen eine Verfahrensvorschrift. Weder bestehe eine Pflicht des Verwalters, ein über ein Telefon ausgeübtes Rederecht eines Wohnungseigentümers zu unterbinden, noch ohne Weiteres eine Pflicht, ein solches vorbehaltlich einer Beschlussfassung der Eigentümerversammlung zuzulassen.

Vielmehr sei es Aufgabe des Verwalters, unter Berücksichtigung der Interessen der Wohnungseigentümer die Meinungsbildung untereinander zu ermöglichen. Gerade bei einer sehr übersichtlichen Anzahl der anwesenden Wohnungseigentümer sei ein Redebeitrag über eine Internetverbindung gerade bei hinreichender Identifizierung des Wohnungseigentümers und vorbehaltlich entgegenstehender Geschäftsordnungsanträge nicht ausgeschlossen. Vorliegend ergebe sich aus der Anwesenheitsliste, dass neben den Vertretenen, die nicht präsent waren nur zwei Wohnungseigentümer in persona anwesend waren. Der Umstand, dass der (insoweit dritte) Miteigentümer an der Versammlung über das Videotelefonat teilgenommen und Aussagen gemacht habe, begründe damit nicht von vornherein eine fehlerhafte Durchführung der Versammlung.

Quelle | LG München I, Urteil vom 9.8.23, 1 S 16489/2022

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Räumungsklage: Fortsetzung eines Mietverhältnisses unter Berufung auf fehlenden Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen

| Das LG Berlin II hat der Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts (AG) Berlin-Mitte teilweise stattgegeben. Dieses hatte eine von der Vermieterin erhobene Räumungsklage mit der Begründung abgewiesen, die von der Vermieterin ausgesprochene Eigenbedarfskündigung sei formunwirksam. Das LG hat die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Vermieterin anders als zuvor das AG zwar für wirksam erachtet, jedoch zugleich die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Dauer von zwei Jahren angeordnet. |

Zweijährige Verlängerung der Mietdauer

Die angeordnete Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Dauer von zwei Jahren begründete das LG damit, dass es den beklagten Mietern in dem vorliegenden Fall nicht möglich gewesen sei, angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zu beschaffen. Demzufolge können Mieter unter Berufung auf die sog. Sozialklausel des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 574 Abs. 1 und 2 BGB) nach Abwägung mit den Vermieterinteressen unter gewissen Voraussetzungen die Fortsetzung ihres Mietverhältnisses verlangen, auch wenn die zuvor ausgesprochene Kündigung wirksam ist.

Mieter fanden keinen Ersatzwohnraum in Berlin

Das LG hat darauf abgestellt, dass sich die Mieter nach Ausspruch der Eigenbedarfskündigung über einen Zeitraum von fast zwei Jahren auf eine Vielzahl von Wohnungen im gesamten Berliner Stadtgebiet beworben haben, jedoch aufgrund der angespannten Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt sowie des nur noch geringen Angebotes freier Wohnungen mit ihren Bewerbungen keinen Erfolg hatten. Zudem hat das LG bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass auch über das sog. Geschützte Marktsegment (GMS) in absehbarer Zeit kein freier Alternativwohnraum in Berlin für die Mieter zur Verfügung stand.

Schließlich hat das LG auch den Umstand, dass das gesamte Stadtgebiet von Berlin durch eine Mietenbegrenzungsverordnung (MietBegrV Bln) als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt ausgewiesen ist, als weiteren Beleg für die Richtigkeit des Mietervortrags gewertet und außerdem berücksichtigt, dass der von der Vermieterin geltend gemachte Eigenbedarf nicht besonders dringlich war.

Landgericht: Vertragsbedingungen angepasst und Miete angehoben

Das LG hat bei seiner Entscheidung die bisherigen Vertragsbedingungen von Amts wegen geändert und neben der Anordnung der befristeten Fortdauer des Mietverhältnisses auch die von den Mietern bisher geschuldete Nettokaltmiete auf ein marktübliches Niveau angehoben.

Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 25.1.2024, 67 S 264/22, PM 5/24

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Verbraucherrecht

Versicherungsschutz: Fahrraddiebstahl aus Zweitwohnung: Hausratversicherung greift nicht

| Das Landgericht (LG) Frankenthal hat die Klage eines Fahrradbesitzers gegen seine Hausratversicherung wegen eines gestohlenen Fahrrads abgewiesen. Das teure Bike war nach seinen Angaben bei einem Einbruch in den Keller seiner Zweitwohnung entwendet worden. |

Das umfasst die Außenversicherung

Das LG hat klargestellt, dass eine Außenversicherung nur Gegenstände in Zweitwohnungen umfasst, die eigentlich in der Hauptwohnung ihren Platz haben und sich nur vorübergehend außerhalb des Hauptwohnsitzes befinden. Als Erweiterung des grundsätzlich an den Versicherungsort gebundenen Versicherungsschutzes sei es dagegen nicht ihr Sinn und Zweck, Gegenstände zu versichern, die üblicherweise in der Zweitwohnung aufbewahrt werden.

Kein versicherter Hausrat

Weil der Mann sein Fahrrad hauptsächlich im Keller der Zweitwohnung abgestellt hatte und nur in mehrwöchigen Urlaubszeiten mit nach Hause nahm, gehört es nicht zum versicherten Hausrat, der tatsächlich nur vorübergehend außerhalb der Hauptwohnung verbracht worden sei, so das LG. Der Radfahrer blieb deshalb auf dem gesamten Diebstahlschaden seines knapp 5.000 Euro teuren Fahrrads sitzen.

Hausratversicherung bestand nur für die Hauptwohnung

Die Hausratversicherung verweigerte nach Auffassung der Kammer zu Recht den Versicherungsschutz, weil der Radbesitzer die Versicherung nur für seine Hauptwohnung besaß. Außerhalb dieser Hauptwohnung befindliche Sachen waren lediglich über einen sog. „Außenversicherungsschutz“ abgedeckt. Eine gesonderte Hausratversicherung für die Zweitwohnung, ein möbliertes Appartement, in dem er sich üblicherweise werktags aufhielt, hatte der Biker nicht abgeschlossen.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 29.3.2023, 3 O 236/22, PM vom 29.11.2023

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Krankenversicherung: Keine Kostenerstattung für Augenoperation in türkischer Privatklinik

| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass die operative Therapie eines grauen Stars im Ausland nicht als Notfallbehandlung zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung qualifiziert werden kann. |

Linsenoperation in türkischer Privatklinik wegen grauem Star

Geklagt hatte eine türkischstämmige Frau (geb. 1965) aus Niedersachsen, die seit dem Jahr 2015 an einem beginnenden Katarakt (grauer Star) der Augen litt. Während eines Urlaubs in der Türkei im Jahr 2019 ließ sie an beiden Augen eine Linsenoperation in einer Privatklinik durchführen. Die entstandenen Kosten von rd. 1.600 Euro wollte die Frau von ihrer Krankenkasse erstattet haben.

Die gesetzliche Krankenkasse und die private Auslandskrankenversicherung lehnte eine Erstattung ab. Bei vorübergehenden Auslandsaufenthalten könnten nur Notfallbehandlungen übernommen werden. Ein grauer Star sei jedoch ein schleichender Prozess und kein Notfall.

Hiergegen klagte die Frau und schilderte, dass es in der Türkei mit den Augen so schlimm geworden sei, dass sie gestürzt sei. Ihr sei schwarz vor Augen geworden und sie sei in größter Sorge gewesen, das Augenlicht zu verlieren. Es habe sich um einen Notfall gehandelt. Obwohl sie schon länger an grauem Star erkrankt sei, könne ein „plötzlich bemerkter“ Sehverlust mit einem akuten Sehverlust verwechselt werden.

Gericht bestätigt Rechtsauffassung der Krankenkasse

Das LSG hat die Rechtsauffassung der Krankenkasse bestätigt. Der Anspruch scheitere schon deshalb, weil die Klägerin sich als Privatpatientin in einer Privatklinik habe behandeln lassen. Diesbezügliche Behandlungen seien vom Leistungsumfang generell nicht umfasst.

Keine Notfallbehandlung

Unabhängig davon habe bei der Klägerin kein medizinischer Zustand vorgelegen, der während des Türkei-Urlaubs an beiden Augen aufgetreten sei und einer sofortigen Behandlung bedurft hätte. Der behandelnde Augenarzt habe einen senilen Katarakt, d. h. eine Alterserkrankung diagnostiziert. Eine plötzliche Verschlechterung mit dringender Operationsindikation habe er ausgeschlossen. Ein grauer Star sei eine Alterserkrankung, die durch ein schleichendes Fortschreiten gekennzeichnet sei und nicht durch einen plötzlichen Sehverlust im Sinne eines Notfalls.

Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19.12.2023, L 16 KR 196/23, PM vom 8.1.2024

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Rückreisekosten: Wodka auf der Klassenfahrt

| Wird ein Schüler von einer Klassenfahrt ausgeschlossen, weil er dort unzulässigerweise Alkohol erworben hat, können Erziehungsberechtigte zu den Mehrkosten der verfrühten Rückreise heranzogen werden. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |

Im Juni 2022 fand eine Klassenfahrt einer 10. Klasse eines Gymnasiums nach München statt. Zuvor hatte sich die Beklagte, Mutter eines minderjährigen Schülers, schriftlich verpflichtet, die Kosten einschließlich etwaiger Zusatzkosten bei vorzeitiger Heimreise zu tragen. Während der Fahrt kauften insgesamt sieben Schüler, darunter der Sohn der Beklagten, zwei Wodkaflaschen, woraufhin sie von der Fahrt ausgeschlossen wurden. Die Beklagte zahlte die hierdurch entstandenen Mehrkosten von 143,60 Euro nicht, woraufhin das Land Berlin sie auf Zahlung verklagte.

Die Klage hatte Erfolg. Der Anspruch auf Kostenerstattung ergebe sich aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag, den die Beteiligten miteinander geschlossen hätten. Dieser Vertrag sei wirksam zustande gekommen. Der Ausschluss sei als Ordnungsmaßnahme nach dem Berliner Schulgesetz ergangen und von der Beklagten nicht angegriffen worden, wodurch die vereinbarte Kostenfolge entstanden sei. Die Forderung einschließlich der geltend gemachten Zinsen sei schließlich der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Der Gerichtsbescheid ist rechtskräftig.

Quelle | VG Berlin, Gerichtsbescheid vom 15.11.2023, VG 3 K 191/23, PM 2/24

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Gefährdung: Leinenzwang für große Hunde

| Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat den für zwei große Hunde aus dem Landkreis Günzburg angeordneten Leinenzwang bestätigt. Begründet hat es den Leinenzwang u.a. damit, dass die Hunde nach Aussagen mehrerer Betroffener frei herumlaufen würden. Die vom Kläger gegen den Leinenzwang erhobenen Klagen hatte schon das Verwaltungsgericht (VG) Augsburg abgewiesen. Hiergegen stellte der Kläger beim BayVGH Anträge auf Zulassung der Berufung. |

Das war geschehen

Der Kläger ist Halter zweier Hunde. Mit Bescheiden aus dem Monat Februar 2023 hatte die Verwaltungsgemeinschaft als örtlich zuständige Sicherheitsbehörde für die beiden Hunde einen Leinenzwang angeordnet.

Der BayVGH hat die Anträge abgelehnt und die Urteile des VG bestätigt. Gründe, die eine Zulassung der Berufung rechtfertigen würden, lägen nach Ansicht des BayVGH nicht vor. Es bestünden insbesondere keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Urteile des VG.

Gefahr durch große Hunde

Der Einwand des Klägers, die Hunde seien ungefährlich, greife nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des BayVGH gehe von freilaufenden großen Hunden auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr in der Regel eine konkrete Gefahr für Eigentum und Gesundheit Dritter aus. Der Leinenzwang sei deshalb bereits allein wegen der Größe der Hunde gerechtfertigt. Grund für die Unterscheidung nach der Größe sei, dass es bei großen unangeleinten Hunden in Wohngebieten regelmäßig mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu unvorhergesehenen Reaktionen von Menschen oder Hunden und damit zu erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit kommen könne. Der Feststellung, dass es sich hier um große Hunde mit einer Schulterhöhe von mindestens 50 Zentimetern handele, habe der Kläger nicht in Zweifel gezogen.

Es gab bereits einen Beißvorfall

Ein Einschreiten sei bei einem der Hunde auch deshalb geboten gewesen, weil es im November 2022 zu einem Beißvorfall gekommen sei. Bei beiden Hunden habe somit eine konkrete und nicht bloß abstrakte Gefahr für die Gesundheit Dritter vorgelegen.

Durch die Beschlüsse des BayVGH wurden die Urteile des VG rechtskräftig.

Quelle | BayVGH, Beschlüsse vom 22.1.2024, 10 ZB 23.1558 u.a., PM vom 30.1.2024

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Minderungsansprüche: Pauschalreise: Reservierte Poolliegen können einen Mangel darstellen

| Das Amtsgericht (AG) Hannover hat jetzt klargestellt: Eine Pauschalreise kann mangelhaft sein, wenn der Reiseveranstalter in einer Hotelanlage entweder nur wenige Poolliegen zur Verfügung stellt oder nicht einschreitet, wenn andere Reisegäste Poolliegen etwa mittels eines Handtuchs längere Zeit reservieren, ohne sie tatsächlich zu nutzen. |

Das war geschehen

Der Kläger buchte für sich und seine Familie eine Pauschalreise zum Preis von insgesamt 5.260 Euro. Das gebuchte Hotel verfügte über sechs Swimmingpools und etwa 500 Poolliegen. Nach den ausgeschilderten Verhaltensregeln war es den Badegästen untersagt, Poolliegen für mehr als 30 Minuten zu reservieren, ohne sie zu nutzen. Tatsächlich war es aber so, dass Badegäste Poolliegen auch länger mit ihren Handtüchern reservierten. Leitung und Personal des Hotels unternahmen nichts dagegen. Der Kläger und seine Familie hingegen hielten sich an die vorgegebenen Verhaltensregeln. Der Kläger rügte mehrfach, dass ihm und seiner Familie deswegen keine Liegen zur Verfügung gestanden hätten. Darin sah der Kläger einen Reisemangel und forderte von dem Reiseveranstalter (der Beklagten) u. a. einen Teil des Reisepreises (798,00 Euro) zurück.

Die Beklagte war der Auffassung, dass es sich um ein friedliches Wettrennen um die begehrten Plätze am Pool mit dem besseren Ende für den sprichwörtlichen „frühen Vogel“ gehandelt habe, nicht aber um einen Reisemangel. Möglicherweise hätten sich nur der Kläger und seine Familie an die Poolregeln gehalten, obwohl sie nicht mit Sanktionen hätten rechnen müssen, wenn der Kläger abends oder seine Lebensgefährtin morgens zum Sonnenaufgang sein Handtuch auf eine Liege gelegt hätte.

Amtsgericht: Pflicht des Reiseveranstalters

Das AG hat der Klage teilweise stattgegeben und dem Kläger einen Betrag von 322,77 Euro zugesprochen. Dabei hat es angenommen, dass der Reiseveranstalter nicht gehalten ist, jedem Hotelgast eine Liege zur Verfügung zu stellen. Vielmehr müsse die Anzahl der Liegen in einem angemessenen Verhältnis zur Auslastung des Hotels und damit zur Anzahl der Hotelgäste stehen. Stünden zwar genug Liegen zur Verfügung, seien diese für den Reisenden aber faktisch nicht nutzbar, weil andere Hotelgäste entgegen den Verhaltensregeln Poolliegen mit eigenen Handtüchern reservierten, ohne sie zu nutzen, sei der Reiseveranstalter zum Einschreiten verpflichtet.

Gäste mussten nichts selbst unternehmen Reisepreisminderung von 15 Prozent

Es sei in diesem Zusammenhang auch nicht Sache des Reisenden, selbst für Abhilfe zu sorgen, indem er entweder fremde Handtücher eigenmächtig entferne oder seinerseits entgegen den Verhaltensregeln Liegen reserviere. Dies sei unzumutbar, da Streitigkeiten mit anderen Hotelgästen zu befürchten seien, auf die sich kein Reisender einlassen müsse.

Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass es dem Kläger und seiner Familie mit Ausnahme des letzten Tages nicht möglich gewesen sei, nach dem Frühstück ab etwa 9.00 Uhr Poolliegen zu nutzen, weil diese entweder belegt, durch Handtücher anderer Badegäste „reserviert“ oder aber defekt gewesen seien. Es hat insoweit eine Reisepreisminderung von 15 Prozent des Tagesreisepreises der ab der erstmaligen Rüge des Klägers betroffenen Tage angenommen.

Quelle | AG Hannover, Urteil vom 20.12.2023, 553 C 5141/23, PM vom 4.1.2023

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Verkehrsrecht

Bundesgerichtshof: Haftung: Rückwärts in der Einbahnstraße

| Eine Einbahnstraße darf nur in vorgeschriebener Fahrtrichtung befahren werden. Verboten ist auch das Rückwärtsfahren entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung. Lediglich (unmittelbares) Rückwärtseinparken („Rangieren“) ist ebenso wie Rückwärtseinfahren aus einem Grundstück auf die Straße kein unzulässiges Rückwärtsfahren auf Richtungsfahrbahnen gegen die Fahrtrichtung. So stellte es der BGH jetzt fest. |

Demgegenüber ist Rückwärtsfahren auch unzulässig, wenn es dazu dient, erst zu einer (freien oder freiwerdenden) Parklücke zu gelangen. Entsprechendes gilt, wenn das Rückwärtsfahren dazu dient, einem Fahrzeug die Ausfahrt aus einer Parklücke zu ermöglichen, um anschließend selbst in diese einfahren zu können.

Der Unfall ereignete sich, als der eine Verkehrsteilnehmer rückwärts aus einer Grundstücksausfahrt in die Einbahnstraße einfuhr, während der andere unzulässig die Einbahnstraße rückwärts befuhr. Der Anscheinsbeweis, dass der, der rückwärts aus einer Grundstücksausfahrt fährt, seinen Sorgfaltspflichten nicht genügt habe, wenn es dabei zu einer Kollision kommt, ist nicht anzuwenden. Denn das verbotene Rückwärtsfahren des Unfallgegners hebt das „typische Geschehen“ auf, das für die Anwendung eines Anscheinsbeweis nötig ist. Der Ausfahrt-Ausfahrer muss grundsätzlich nicht mit einem verbotswidrig die Einbahnstraße rückwärts befahrenden Verkehrsteilnehmer rechnen.

Quelle | BGH, Urteil vom 10.10.2023, VI ZR 287/22, Abruf-Nr. 238505 unter www.iww.de

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Straßenverkehrsordnung: Keine Pflicht zum Bilden einer Rettungsgasse auf nur autobahnähnlicher innerörtlicher Straße?

| Die Straßenverkehrsordnung (hier: § 11 Abs. 2 StVO) sieht vor, dass auf einer Autobahn oder Außerortsstraße ggf. eine (Rettungs-)Gasse zur Durchfahrt von Polizei- oder Hilfsfahrzeugen gebildet werden muss. Das Amtsgericht (AG) Augsburg hatte diese Pflicht auch für eine Bundesstraße bejaht. Es hat den Betroffenen zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Das hat das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) jetzt nicht mitgemacht. |

Wortlaut des Gesetzes entscheidend

Es hat die Verurteilung aufgehoben. Die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse gilt dem eindeutigen Wortlaut der o. g. Vorschrift nach nicht für den innerstädtischen Verkehr auf einer Bundesstraße.

Amtsgericht überschritt Grenzen bei der Auslegung

Ein autobahnähnlicher Ausbau ändere daran nichts. Es überschreite die Grenzen zulässiger Auslegung, entgegen dem Gesetzeswortlaut (des § 11 Abs. 2 StVO) die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse auf einer autobahnähnlich ausgebauten innerörtlichen Straße anzunehmen.

Verstoß gegen andere Vorschrift möglich

Aber Achtung: Wer innerorts keine Rettungsgasse bildet, könnte gegen eine andere Vorschrift der StVO verstoßen (hier: § 38 Abs. 1 S. 2, § 49 Abs. 3 Nr. 3 StVO). Bei Verwendung des blauen Blinklichts zusammen mit dem Einsatzhorn müssen alle übrigen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn schaffen. Um zu klären, ob dies im Fall des AG Augsburg so war, hat das BayObLG das Verfahren an das AG zurückverwiesen.

Quelle | BayObLG, Beschluss vom 26.9.2023, 201 ObOWi 971/23, Abruf-Nr. 238702 unter www.iww.de

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Schadenersatz: Abschleppkosten: Wenn das Auto „zwischengelagert“ wird

| Darf man nach einem Unfall das Auto zunächst an anderer Stelle parken, bevor man es zur Werkstatt bringt? Mit dieser Frage musste sich jetzt das Landgericht (LG) Schweinfurt befassen. |

Unfall außerhalb der Öffnungszeiten des Autohauses

Der Unfall ereignete sich außerhalb der Öffnungszeiten des Autohauses. Der Geschädigte brachte seinen Pkw daher zunächst zum Betriebshof des Abschleppunternehmers. Am anderen Tag wurde der Pkw zur Werkstatt weitertransportiert. Dort wurde es begutachtet und ein Totalschaden festgestellt.

Versicherer wollte zweites Abschleppen nicht bezahlen

Der Versicherer verweigert die Erstattung der Kosten für den zweiten Abschleppvorgang. Begründung: Entweder hätte das Fahrzeug gleich zum Autohaus verbracht werden müssen, oder es hätte als Totalschaden vom Abschlepphof aus verwertet werden müssen.

Landgericht zeigte sich geschädigtenfreundlich

Das LG Schweinfurt sah hier kein Hindernis: Wenn das Autohaus ab 18 Uhr geschlossen ist, sich der Unfall aber um 18:45 ereignet, geht das Zwischenlagern beim Abschleppunternehmer in Ordnung. Den Vortrag des Klägers, dass der Totalschaden für Laien nicht erkennbar war, hat der Versicherer nicht bestritten.

Quelle | LG Schweinfurt, Urteil vom 14.12.2023, 22 O 720/22, Abruf-Nr. 238998 unter www.iww.de

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Unfallschaden: Reparaturkosten: Neue Anhängerzugvorrichtung nach Auffahrunfall ist zu ersetzen

| Bei der Unfallschadenabwicklung sind die Kosten für die Erneuerung der Anhängerzugvorrichtung oft umstritten. Geschädigtenfreundlich hat das Amtsgericht (AG) Tettnang nun klargestellt: Nach einem Auffahrunfall darf sich der Geschädigte auf das Gutachten verlassen. Der Versicherer muss die Kosten für die Erneuerung folglich tragen. |

Gutachter ging auf „Nummer sicher“

Bei dem Auffahrunfall war ein Schaden von über 9.200 Euro an Reparaturkosten entstanden. Die Anhängerzugvorrichtung hatte unfallbedingte Kontaktspuren, war jedoch nicht verformt. Sicherheitshalber sah der Schadengutachter sie zur Erneuerung vor. Er begründete das mit unkalkulierbaren Risiken und damit, dass die Kosten der Untersuchung des Materials einschließlich der Ausfalldauer des Fahrzeugs hoch seien.

Es kommt nur auf das Gutachten an

Der Versicherer bestritt im Rahmen der konkreten Abrechnung nach durchgeführter Reparatur die Notwendigkeit der Erneuerung. Ein Schaden daran sei nicht objektiv nachgewiesen. Darauf kam es jedoch nach dem AG nicht an, sondern nur darauf, dass der Geschädigte auf das Gutachten und damit auf die Notwendigkeit der Erneuerung vertrauen durfte.

Quelle | AG Tettnang, Urteil vom 29.11.2023, 3 C 406/23, Abruf-Nr. 238650 unter www.iww.de

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Verkehrssicherungspflicht: Über Wurzelschaden auf Radweg gestürzter Rennradfahrer erhält keinen Schadenersatz von Gemeinde

| Das Landgericht (LG) Frankenthal hat die gegen eine Gemeinde gerichtete Schadenersatzklage eines Rennradfahrers abgewiesen, der auf einem Radweg aufgrund von Wurzelschäden gestürzt war. Ein Radfahrer müsse seine Fahrweise so einrichten, dass er sichtbare Hindernisse auf einem Radweg rechtzeitig wahrnehmen und vor ihnen anhalten kann, so das LG. |

Grundsätze der Verkehrssicherungspflicht

Grundsätzlich muss der, der eine Gefahrenquelle (z. B. eine aus dem Boden ragende Baumwurzel) schafft oder eine solche andauern lässt, notwendige und zumutbare Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern (sog. „Verkehrssicherungspflicht“). Er muss Gefahren ausräumen oder vor ihnen warnen.

Ausnahmen von der Verkehrssicherungspflicht

Dies gilt jedoch nur, soweit sie für andere trotz aufmerksamen Verhaltens im Straßenverkehr nicht erkennbar oder nicht beherrschbar sind. Die Anforderungen an die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht für einen Radweg bemessen sich an einem normalen Radfahrer mit einer üblichen Geschwindigkeit.

Rennradfahrer muss besonders vorsichtig sein

Ein Rennradfahrer muss von sich aus besonders vorsichtig fahren, da er mit seinen dünnen Reifen bei Unebenheiten im Boden besonders gefährdet ist. Vorliegend seien die Wurzelschäden nach Ansicht der Kammer gut und rechtzeitig erkennbar gewesen.

Wurzelschäden waren sichtbar

Das LG: Der Wegabschnitt habe auch an anderen Stellen Unebenheiten, wie Bodenschwellen, Risse oder eben Wurzelschäden aufgewiesen, sodass Schäden auch an der Unfallstelle nicht überraschend gewesen sein könnten. Ein konzentrierter Radfahrer hätte sein Fahrverhalten an die vorgefundenen Hindernisse anpassen können und müssen. Aufgrund der ausreichenden Erkennbarkeit der Wurzelschäden sei auch eine Warnung bspw. durch ein Hinweisschild nicht erforderlich gewesen.

Auch ein unter Umständen störendes Licht- und Schattenspiel auf dem Radweg wegen eines ungünstigen Sonnenstands, weswegen der Rennradfahrer das Hindernis nicht erkannt haben will, ändere daran nichts. Auf witterungsbedingte Umstände müsse sich ein Radfahrer einstellen und dementsprechend noch vorsichtiger fahren.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 31.8.2023, 3 O 71/22, PM vom 29.12.2023

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Abschließende Hinweise

Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2024 bis zum 30. Juni 2024 beträgt 3,62 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 8,62 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 12,62 Prozent*

* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 11,62 Prozent.

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.07.2023 bis 31.12.2023

3,12 Prozent

01.01.2023 bis 30.06.2023

1,62 Prozent

01.07.2022 bis 31.12.2022

-0,88 Prozent

01.01.2022 bis 30.06.2022

-0,88 Prozent

01.07.2021 bis 31.12.2021

-0,88 Prozent

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

01.07.2011 bis 31.12.2011

0,37 Prozent

01.01.2011 bis 30.06.2011

0,12 Prozent

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Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 05/2024

| Im Monat Mai 2024 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer (Monatszahler): 10.5.2024
  • Lohnsteuer (Monatszahler): 10.5.2024
  • Gewerbesteuerzahler: 15.5.2024
  • Grundsteuerzahler: 15.5.2024

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 13.5.2024 für die Umsatz- und Lohnsteuerzahlung und am 21.5.2024 für die Gewerbe- und Grundsteuerzahlung. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat Mai 2024 am 29.5.2024. In Bundesländern, in denen Fronleichnam ein Feiertag ist, gilt der 28.5.2024.

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Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 03-2023:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht


Fristlose Kündigung: Krankgeschrieben an Party teilgenommen

| Meldet sich eine Arbeitnehmerin bei ihrem Arbeitgeber für zwei Tage krank und nimmt an einer „Wild Night Ibiza Party“ teil, ist von einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Eine fristlose Kündigung kann dann laut dem Arbeitsgericht (ArbG) Siegburg gerechtfertigt sein. |

Die Arbeitnehmerin war als Pflegeassistentin beschäftigt. Sie war für einen Samstag und einen Sonntag zum Spätdienst eingeteilt. Hierfür meldete sie sich krank. In dieser Nacht nahm sie an einem bekannten Veranstaltungsort an der „White Night Ibiza Party“ teil. Der Arbeitgeber kündigte ihr daraufhin fristlos. Hiergegen erhob sie Kündigungsschutzklage. Das ArbG Siegburg wies die Klage ab und bestätigte die fristlose Kündigung. Der wichtige Kündigungsgrund liege darin, dass die Klägerin über ihre Erkrankung getäuscht und das Vertrauen in ihre Redlichkeit zerstört habe. Sie hatte am Tag ihrer angeblich bestehenden Arbeitsunfähigkeit bester Laune und ersichtlich bester Gesundheit an der Party teilgenommen, während sie sich arbeitsunfähig gemeldet hatte dokumentiert durch Fotos. Der Beweiswert der AU-Bescheinigung war somit erschüttert. Die Erklärung, sie habe an einer zweitägigen psychischen Erkrankung gelitten, die vom Arzt nachträglich festgestellt worden sei, glaubte das Gericht nicht.

Quelle | ArbG Siegburg, Urteil vom 16.12.2022, 5 Ca 1200/22

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Ausgestreckter Mittelfinger: Außerordentliche Kündigung? Auf die Umstände kommt es an!

| Die fotografisch festgehaltene Geste eines Flugzeugkapitäns, der am Ende des letzten regulären Flugeinsatzes an der von seinem Arbeitgeber geschlossenen Station nach Landung und Räumung des Flugzeugs mit seiner Crew gemeinsam den ausgestreckten Mittelfinger in Richtung Kamera hält, kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung begründen. Das entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf. |

Das LAG: So ist es jedenfalls, wenn diese Geste nachweislich gegen den Arbeitgeber gerichtet und damit beleidigend gemeint ist. Ist die Geste hingegen unwiderlegt als ein symbolisches Ausstrecken des Mittelfingers in Richtung „Corona“ als dem Grund für die Schließung der Flugzeugbasis und damit den Verlust der Arbeitsplätze gemeint, begründet das damit lediglich noch vorliegende unangemessene Verhalten keine außerordentliche Kündigung. Das gilt erst recht, wenn sich in der Firmenzentrale bekanntermaßen ein großes Wand-Bild mit einer beide Mittelfinger ausstreckenden Seniorin als Kunstobjekt befindet und mithin der Arbeitgeber selbst gegenüber derlei Gesten ein entspanntes Verhältnis pflegt.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 5.4.2022, 3 Sa 364/21

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Altersdiskriminierung: Auch Schiedsrichter sind geschützt

| Einem Schiedsrichter steht eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung zu, wenn er aufgrund des Erreichens der Altersgrenze von 47 Jahren nicht mehr in die Schiedsrichterliste des Deutschen Fußballbundes (DFB) aufgenommen worden ist. Das hat das Landgericht (LG) Frankfurt am Main aktuell entschieden. |

DFB: Regularisch keine Altersgrenze festgelegt

Der DFB hat die Hoheit über den Arbeitsmarkt und den Einsatz von Schiedsrichtern im deutschen Fußball (sog. „Ein-Platz-Prinzip“). In seinen Regularien ist eine Altersgrenze für die Aufnahme in die Schiedsrichterlisten im Profifußball nicht vorgesehen. Jedoch scheiden Elite-Schiedsrichter regelmäßig im Alter von 47 Jahren aus. Davon wurde in den letzten fast vier Jahrzehnten keine Ausnahme gemacht.

Bundesliga-Schiedsrichter mit 47 Jahren „ausgemustert“

Der Kläger war seit vielen Jahren Schiedsrichter im Auftrag des DFB. Seit 2004 leitete er Spiele der ersten Bundesliga. Nachdem der Kläger 47 Jahre alt geworden war, nahm ihn der DFB ab der Saison 2021/2022 nicht mehr in seine Schiedsrichterliste auf. Vor dem LG hat der Kläger vom DFB eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung und den potenziellen Verdienstausfall für die Saison 2021/2022 verlangt sowie die Feststellung, dass der DFB auch künftige Schäden (z.B. Verdienstausfall) ersetzen müsse.

Landgericht: Altersdiskriminierung liegt vor

Das LG hat dem Kläger jetzt eine Entschädigung von 48.500 Euro wegen einer Diskriminierung aufgrund seines Alters nach dem sog. Antidiskriminierungsgesetz zugesprochen. Für diesen Entschädigungsanspruch sei es ausreichend, wenn das Alter mitursächlich für die Beendigung der Schiedsrichterlaufbahn war. Ob auch andere Gründe eine Rolle spielten, sei rechtlich nicht maßgeblich.

Praktizierte Altersgrenze…

Wenngleich in den Regelwerken des DFB eine Altersgrenze für Schiedsrichter nicht schriftlich fixiert sei, bestehe aber tatsächlich eine praktizierte Altersgrenze von 47 Jahren. Denn die Bewerber würden ab diesem Lebensjahr nahezu ausnahmslos nicht mehr berücksichtigt und der DFB habe die Bedeutung dieses Alters für das Ende einer Schiedsrichtertätigkeit auch öffentlich bekundet.

… ist willkürlich

Es sei im Ergebnis willkürlich und daher nach den Regeln des Antidiskriminierungsgesetzes nicht gerechtfertigt, auf eine feste Altersgrenze von 47 Jahren abzustellen. Zwar habe das Alter aus biologischen Gründen eine statistische Relevanz für die Eignung als Schiedsrichter, weil mit ihm die Leistungsfähigkeit nachlässt und das Verletzungsrisiko steige. Warum gerade das Alter von 47 Jahren für die Leistungsfähigkeit eines Elite-Schiedsrichters ausschlaggebend sein soll, wurde nicht dargelegt, etwa durch einen wissenschaftlichen Nachweis oder einen näher begründeten Erfahrungswert. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die individuelle Tauglichkeit der relativ geringen Anzahl von Bundesligaschiedsrichtern nicht in einem an Leistungskriterien orientierten transparenten Bewerbungsverfahren festgestellt werden könne. Adäquate und gegebenenfalls wiederholte Leistungstests und -nachweise seien gegenüber einer starren Altersgrenze vorzugswürdig.

Entschädigung für Schiedsrichter

Für die Höhe der Entschädigung war nach dem LG u. a. maßgeblich, dass das Antidiskriminierungsgesetz Sanktionscharakter hat. Die Benachteiligung des Klägers wiege schwer, weil sie von dem wirtschaftsstarken und eine Monopolstellung innehabenden Beklagten bewusst und ohne Rechtfertigungsansatz erfolgt sei.

Jedoch kein Ersatz von Verdienstausfall

Ohne Erfolg blieb jedoch die Forderung des Klägers auf Ersatz von materiellen Schäden, insbesondere auf Zahlung von Verdienstausfall. Insoweit wurde seine Klage abgewiesen. Der Kläger habe nicht dargetan, dass er ohne die Altersgrenze tatsächlich bei der Listenaufstellung berücksichtigt worden wäre. Dafür hätte er nicht nur erklären und unter Umständen beweisen müssen, dass er nicht nur für die Stelle geeignet, sondern vielmehr der „bestgeeignetste“ Bewerber war. Diesen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) angefochten werden.

Quelle | LG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.1.2023, 2-16 O 22/21

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Schweres Dienstvergehen: Beamter: Lieber keine dienstlichen Anordnungen verweigern

| Weigert sich eine Beamtin, dienstliche Anordnungen bezüglich der Corona-Pandemie umzusetzen, kann sie aus dem Dienst entfernt werden. Das hat nun das Verwaltungsgericht (VG) Trier klargestellt. |

Das war geschehen

Der Beamtin wurde zur Last gelegt, beharrlich kundgetan zu haben, sich nicht an eine Hausverfügung zur Umsetzung einer Corona-Bekämpfungsverordnung bezüglich der Corona-Testpflicht nach längerer Abwesenheit vom Arbeitsplatz halten zu wollen. Sie werde sich auch vor dem anstehenden Einsatztraining und Dienstsport nicht testen lassen. Ihre Verweigerungshaltung äußerte sie in einer E-Mail an den Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA), gegenüber ihrem Vorgesetzten sowie in einem Personalgespräch. Sie äußerte sich gegenüber Kollegen, dem Vorgesetzten und dem JVA-Leiter wiederholt kritisch gegen die staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, indem sie die Corona-Pandemie u.a. als „Propagandazirkus, gezielte Angst- und Panikmache sowie gezielte Täuschung des Staates“ bezeichnete und riet Gefangenen von einer Impfung ab. Das Land erhob Klage, um die Beamtin aus dem Dienst zu entfernen.

Schweres Dienstvergehen: Vertrauensbasis erschüttert

Das VG wertete die beharrliche Verweigerungshaltung der Beamtin sowie ihre wiederholten innerdienstlichen Äußerungen als einheitliches schweres Dienstvergehen. Damit habe sie das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren. Die ernsthaft gemeinte Ankündigung eines Beamten, einer Weisung zukünftig nicht Folge leisten zu wollen, könne eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses zur Folge haben.

Nicht nur eigene Meinung kundgetan, sondern auch Gefangene manipuliert

Mit ihren Äußerungen habe sie die Grenze der Meinungsfreiheit überschritten. Sie habe den Rahmen sachlicher Kritik an Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung weit verlassen. Die Beamtin habe ihr Vertrauensverhältnis zu den von ihr zu betreuenden Gefangenen dazu ausgenutzt, diese im Rahmen einer Abfrage der Impfbereitschaft durch gezielte einseitige, manipulative Informationen von einer Impfung abzuhalten. Damit habe sie gegen ihre Pflicht zur gewissenhaften Pflichterfüllung im Strafvollzug verstoßen. Mit ihrem Verhalten habe sie klar zu erkennen gegeben, dass sie sich aus allein eigennützigen Motiven an die aus Fürsorgegesichtspunkten erlassenen Schutzmaßnahmen für Leib und Leben nicht gebunden fühle und sich dieser Gemeinwohlverpflichtung nicht unterwerfen wolle.

Beamtin war unbelehrbar

Durch das im Laufe des Verfahrens zutage getretene unbelehrbare Persönlichkeitsbild der Beamtin sei auch künftig ein pflichtgemäßes Verhalten nicht zu erwarten. Eine Entfernung aus dem Dienst sei daher geboten.

Quelle | VG Trier, Urteil vom 21.6.2022, 3 K 802/22.TR, Abruf-Nr. 231853 unter www.iww.de

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Baurecht


Vertragsrecht: Nur was vertraglich vereinbart ist, ist auch geschuldet

| Immer wieder gibt es vor allem im Baurecht Streit über Vertragsinhalte. Das gilt besonders, wenn später Mängel auftreten. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hat daher klargestellt, dass nur das geschuldet wird, was genau auch so vereinbart war. |

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft hatte vom Architekten Schadenersatz verlangt. Dieser hatte es im Rahmen seiner Bauüberwachungspflicht unterlassen, das Bauunternehmen von der Herstellung einer Innendrainage am Gebäude abzuhalten und stattdessen eine Außendrainage vorzugeben. Im Vertrag war die Überwachung einer Innendrainage geregelt, obwohl der Architekt vor Auftragserteilung darauf hingewiesen hatte, dass deren Ausführung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche.

Das OLG hat die Schadenersatzklage abgewiesen. Der Auftragsinhalt werde nicht durch Beschlüsse der Eigentümerversammlung formuliert, sondern anhand des Vertrags zwischen der Eigentümergemeinschaft und dem Architekten (Innendrainage trotz Bedenken des Planers). Hier habe (der bevollmächtigte) Verwalter der Eigentümergemeinschaft den Vertrag mit dem Architekten geschlossen. Von einer Außendrainage stand darin nichts. Da der Architekt seine Bedenken gegen die Innendrainage rechtzeitig vorgebracht und die Eigentümergemeinschaft sich darüber hinweggesetzt hatte, war sein Hinwirken auf eine Außendrainage obsolet.

Auch musste der Eigentümergemeinschaft klar sein, dass sie hier ausdrücklich und gegen den Vorschlag des Architekten eine andere Drainage vorgegeben hatte.

Die Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig.

Quelle | OLG Hamburg, Urteil vom 11.11.2020, 8 U 145/19, Abruf-Nr. 230776 unter www.iww.de

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Honorarvereinbarung: Vergütung über die Zielfindungsphase hinaus

| Der Auftragnehmer eines nach dem 1.1.2018 geschlossenen, die Zielfindungsphase ausdrücklich aufnehmenden Architektenvertrags, kann Honorar für darüberhinausgehende Leistungen nur unter der Voraussetzung beanspruchen, dass er die mindestens erforderlichen Ergebnisse jener Phase dem Auftraggeber zur Prüfung vorgelegt und hierzu eine klare Billigungserklärung erhalten hat. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt. |

Das OLG hält dafür mindestens die Vorlage einer Kosteneinschätzung für erforderlich, die erkennen lässt, worauf sie sich bezieht und woraus sie hergeleitet ist. Eine vertraglich vereinbarte Kosteneinschätzung in der Gliederung eines Kostenrahmens gemäß der Norm DIN 276 (1. Gliederungsebene) sei mit der bloßen Angabe einer Summe nicht erbracht.

Wegen der mangelnden Finanzierbarkeit des Objekts wurde der Architektenvertrag vom Bauherrn nach der Zielfindungsphase formnichtig gekündigt. Da der Architekt der Kündigung aber nicht widersprochen, sondern Schlussabrechnung erteilt hat, ging das OLG von einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung aus.

Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 16.5.2022, 29 U 94/21, Abruf-Nr. 230284 unter www.iww.de

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Tierhaltung: Hängebauchschweine dürfen nicht im Wohngebiet gehalten werden

| Zwei Hängebauchschweine dürfen nicht weiter im Garten eines Wohngrundstücks in Recklinghausen gehalten werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen entschieden. Es hat damit einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Gelsenkirchen bestätigt. |

Das war geschehen

Die Stadt Recklinghausen ist gegen die Schweinehaltung unter anderem eingeschritten, weil insbesondere die Belästigung der Nachbarn durch Gerüche ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Nutzungsuntersagung begründe. Das VG hielt diese Verfügung für rechtmäßig, weil die Halterin der Schweine (Antragstellerin) nicht im Besitz einer Baugenehmigung für die Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur Tierhaltung auf ihrem Grundstück war. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Grundstück der Antragstellerin liegt in einem Wohngebiet, in dem nur eine Kleintierhaltung als Annex zum Wohnen zulässig ist. Das setzt voraus, dass die Tierhaltung in dem betreffenden Baugebiet üblich und ungefährlich ist und den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung nicht übersteigt. Hobbymäßig gehaltene Hängebauchschweine sind keine Kleintiere in diesem Sinne, weil die Haltung von Schweinen typischerweise zu Geräusch- und Geruchsbelästigungen führt, die in Wohngebieten nicht üblich sind.

So entschied das Oberverwaltungsgericht

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg. Zur Begründung hat das OVG ausgeführt: Der Einwand der Antragstellerin, die zwingend zu prüfenden Belange des Wohls der beiden Tiere seien nicht hinreichend berücksichtigt worden, ist unzutreffend. Die Antragstellerin hat keine Gesichtspunkte dafür gezeigt, dass entgegen der Annahme des VG die Haltung von Hängebauchschweinen eine in einem Wohngebiet zulässige Kleintierhaltung ist. Ob die Haltung der Schweine durch die Antragstellerin tatsächlich zu einer Belästigung der Nachbarn durch Gerüche führt, ist insoweit letztlich unerheblich. Die der Antragstellerin in der angefochtenen Ordnungsverfügung gesetzte Frist von circa drei Wochen ist in Würdigung der offensichtlichen Baurechtswidrigkeit verhältnismäßig, zumal die Antragstellerin etwa einen Monat vor Erlass der Verfügung dazu angehört worden ist und seitdem damit rechnen musste, die Schweine nicht länger in ihrem Garten halten zu können.

Tierhalterin war uneinsichtig

Das OVG hat keine Zweifel daran, dass es möglich war, die Schweine innerhalb dieses Zeitraums ggf. gegen Bezahlung anderweitig unterzubringen. Es bestehen aber Zweifel daran, dass sich die Antragstellerin ernsthaft um eine anderweitige Unterbringung der Tiere bemüht hat und bemüht. Denn sie hält die Schweine trotz der Nutzungsuntersagung auch nach mehr als einem halben Jahr noch immer auf ihrem Grundstück.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Quelle | OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2.11.2022, 10 B 1092/22, PM vom 2.11.2022

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Familien- und Erbrecht


Nachlassschulden: Kinder haften für verstorbene Eltern

| Stirbt eine versicherte Person und hat die Rentenversicherung noch offene Forderungen gegen diese, handelt es sich um Nachlassschulden. So entschied es das Bundessozialgericht (BSG). Folge: Die Rentenversicherung darf das Geld von den Erben fordern. |

Es ging um Forderungen der Rentenversicherung der Eltern

Die Rentenversicherung forderte rund 5.200 Euro von einer Frau. Sie war damit nicht einverstanden und klagte. Noch bevor ein Urteil ergehen konnte, starb die Frau. Ihr Ehemann, der Alleinerbe, prozessierte weiter, verlor jedoch in zwei Instanzen. Nachdem auch er verstarb, erbten seine zwei Töchter jeweils hälftig. Die Rentenversicherung teilte ihre Forderung hälftig auf und forderte diese Beträge von den Töchtern. Eine der Töchter, die unehelich war, klagte dagegen. Ihr Argument: Die Forderung sei gegen die Ehefrau ihres Vaters gerichtet. Diese sei aber nicht ihre Mutter.

Nachlassverbindlichkeiten

Zum Nachlass gehören auch Verbindlichkeiten. Die Rentenversicherung darf folglich nach dem Tod des Versicherten die Erben in Anspruch nehmen.

Bescheid war allerdings rechtswidrig

Hier gab es jedoch eine Besonderheit: Es gab zwei Erben. In solchen Fällen hat die Rentenversicherung ein sog. „Auswahlermessen“. Das bedeutet, sie darf sich aussuchen, von welchem Erben sie welchen Betrag fordert. Das muss sie allerdings begründen.

Im Fall des BSG hatte sich die Rentenversicherung ausschließlich auf die Erbquote gestützt. Das genügte dem BSG nicht. Folge: Der Rückforderungsbescheid an die uneheliche Tochter war rechtswidrig.

Quelle | BSG, Urteil vom 8.2.2023, B 5 R 2/22

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Unterhaltsrecht: Kosten der Kindertagesförderung für ein Pflegekind

| Für ein Kind in Vollzeitpflege umfasst der vom Jugendhilfeträger sicherzustellende Unterhalt über die gewährten Unterhaltspauschalen hinaus auch die den Pflegeeltern entstehenden Kosten für die Förderung in einer Kindertagesstätte, wenn diese Kosten wie in Nordrhein-Westfalen von der Pauschalierung ausgenommen worden sind. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |

Das war geschehen

Kläger war das Jugendamt einer Stadt in seiner Eigenschaft als Vormund eines Kindes, für das der Mutter die Personensorge kurz nach der Geburt im Jahr 2013 entzogen und auf das Jugendamt übertragen worden war. Die beklagte Stadt bewilligte dem Kläger für das Kind Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bei Pflegeeltern in einer sonderpädagogischen Pflegestelle für Kinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen und trug hierfür die Kosten. Das Kind besuchte ab August 2015 eine Kindertagesstätte, wofür die Pflegeeltern monatlich Elternbeiträge in Höhe von 44 Euro entrichten mussten. Die Beklagte lehnte die Übernahme dieser Aufwendungen mit der Begründung ab, bei den Kosten für die Kindertagesstätte handle es sich um einen üblichen Aufwand, der bereits von den dem Kläger bewilligten und an die Pflegeeltern ausgezahlten Pauschalbeträgen für den Unterhalt des Kindes abgedeckt sei.

Die dagegen erhobene Klage hatte sowohl vor dem Verwaltungsgericht (VG) als auch vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Erfolg. Das BVerwG hat die Entscheidung der Vorinstanzen im Ergebnis bestätigt.

Betreuungskosten nicht in Unterhaltsbeträgen enthalten

Der Anspruch auf Sicherung des Unterhalts eines in Vollzeitpflege zu betreuenden Kindes umfasst über den für den Sachaufwand festgesetzten Pauschalbetrag hinaus die Kosten der Kindertagesbetreuung, wenn diese Kosten bei der Festsetzung des Pauschalbetrags nicht berücksichtigt wurden. Wird Kinder- und Jugendhilfe in Form der Vollzeitpflege gewährt, ist auch der notwendige Unterhalt des zu betreuenden Kindes sicherzustellen (§ 39 des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs SGB VIII). Dieser beinhaltet die Kosten für dessen Pflege und Erziehung und die Kosten des Sachaufwands, die bei einer Unterbringung in Pflegestellen, soweit es sich um laufende Aufwendungen handelt, in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden sollen.

Elternbeiträge variieren je Bundesland und sind nicht pauschalierbar

Die von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festzusetzenden Pauschalbeträge müssen jedoch, auch wenn es sich um typische Bedarfsbestandteile (wie hier die Kita-Beiträge) handelt, nicht solche Kostenpositionen abdecken, die sich einer sinnvollen Pauschalierung entziehen. Die pauschalierte Gewährung schließt zwar grundsätzlich die gesonderte Geltendmachung einzelner Kostenpositionen aus. Das gilt nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes jedoch nur, wenn es sich um Positionen handelt, die einer realitätsgerechten Pauschalierung zugänglich sind und jedenfalls bei der Bemessung der Pauschalsätze berücksichtigt worden sind.

Beides war hier nicht der Fall. Die Kosten für die Kindertagesbetreuung in Nordrhein-Westfalen lassen sich wegen der erheblichen Unterschiede in ihrer Höhe nicht sinnvollerweise realitätsgerecht pauschalieren. Das zuständige Landesministerium hat die Pauschalbeträge für Sachkosten auch ohne Berücksichtigung der Elternbeiträge ermittelt und festgesetzt.

Quelle | BVerwG, Urteil vom 27.10.2022, 5 C 4.21, PM 65/22

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Nichteheliche Lebensgemeinschaft: Keine Ausgleichsansprüche für Luxusausgaben bei gehobenem Lebensstil nach Beziehungsende

| Während einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft geschenkte Gegenstände und Geldbeträge können bei grobem Undank zurückgefordert werden. Die dafür erforderliche Verfehlung von gewisser Schwere und eine die Dankbarkeit vermissende Gesinnung konnte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main nach der Trennung eines im gehobenen Lebensstil lebenden Paares nicht feststellen. Es wies Ausgleichsansprüche des Mannes u.a. im Zusammenhang mit Kreditkartenabhebungen über die überlassene Zweitkarte und übergebener Diamant-Ohrringe in seiner Entscheidung zurück. |

Das war geschehen

Die sich bereits aus Kindertagen kennenden Parteien hatten über einen Zeitraum von 1 ½ Jahren eine intime Beziehung geführt. Der Kläger überließ der Beklagten eine American Express Platinum Zweitkarte für einen Zeitraum von zehn Monaten. Sie belastete das Konto mit gut 100.000 Euro. Zudem hatte der Kläger u.a. Reisen und Einkäufe bei Chanel bezahlt und ihr Diamant-Ohrringe geschenkt. Im Rahmen der Trennung kam es u. a. zu Sachbeschädigungen durch den Kläger; die Beklagte erstattete Strafanzeige; es wurde ein aus Sicht des Klägers erschlichenes Kontaktverbot ausgesprochen. Nun begehrt der Kläger Zahlung von gut 200.000 Euro sowie die Rückgabe der Diamant-Ohrringe.

Kein grober Undank ersichtlich

Das Landgericht (LG) hat die Ansprüche zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Es bestünden keine Ausgleichsansprüche, bestätigte das OLG. Die Hintergründe für die Überlassung der Kreditkarte seien offengeblieben. Dass ein Darlehen gewährt worden sei, habe der Kläger nicht beweisen können. Soweit der Kläger sich auf „aufaddierende Schenkungen“ berufe, fehle es jedenfalls an einem wirksamen Widerruf dieser Schenkungen. Der für einen Schenkungswiderruf erforderliche „grobe Undank“ liege nicht bereits dann vor, „wenn ein Partner die insoweit unterstellte nichteheliche Lebensgemeinschaft (…) verlässt, da mit der Auflösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft jederzeit gerechnet werden muss“, betont das OLG. Vorausgesetzt würde vielmehr „objektiv eine Verfehlung des Beschenkten von gewisser Schwere“, die subjektiv „Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten (ist), die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten kann“. Eine solche subjektiv undankbare Einstellung sei hier nicht feststellbar.

Luxuriöser Lebensstil in diesem Einzelfall

Maßgeblich seien alle relevanten Umstände des Einzelfalls. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die behaupteten Geschenke „einem luxuriösen, exklusiven, eher konsumorientierten Lebensstil entsprangen, zu dem nach dem übereinstimmenden Vortrag der finanziell gut situierten Parteien der Einkauf in hochpreisigen Geschäften ebenso wie der regelmäßige Besuch teurer Restaurants … dazugehörte“. Das Ausgabeverhalten der Parteien habe sich während der Beziehung nicht maßgeblich geändert. Die zurückgeforderten Ausgaben seien auch nicht ersichtlich von großer finanzieller Anstrengung des Klägers oder einer prekären Situation der Beklagten geprägt gewesen. Es habe sich um Einzelbeträge im Bereich zwischen gut 60 Euro und gut 3.000 Euro gehandelt. Angesichts des „emotional aufgeladenen Trennungsgeschehen(s) und der hitzigen Auseinandersetzungen“ stützten auch die weiteren Umstände, u. a. die klägerischen Angaben gegenüber der Polizei, keinen groben Undank.

Keine Änderung der Vermögensverhältnisse durch Ausgabeverhalten

Soweit bei gemeinschaftsbezogenen Aufwendungen (sog. unbenannten Zuwendungen) eine Rückforderung in Betracht komme, wenn sie über das hinausgingen, was das tägliche Zusammenleben erst ermögliche, folge auch daraus hier kein Anspruch. Ein „korrigierender Eingriff ist grundsätzlich nur gerechtfertigt, wenn dem Leistenden die Beibehaltung der durch die Leistung geschaffenen Vermögensverhältnisse nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist“, führt das OLG aus. Auszugleichen seien damit nur solche Leistungen, denen nach den jeweiligen Verhältnissen eine besondere Bedeutung zukomme. Hier seien jedoch allein Ausgaben zu beurteilen, die „ersichtlich den gewöhnlichen Konsum im Hier und Jetzt abdecken, ohne auf die Zukunft gerichtet zu sein“.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.10.2022, 17 U 125/21, PM 78/22

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Mietrecht und WEG


Fristlose Kündigung: Die Hausverwaltung besser nicht beleidigen oder bedrohen …

| Beleidigt und droht der Mieter der Hausverwaltung, hat das Kündigungsrelevanz. Denn den Vermieter trifft dieser gegenüber eine Schutzpflicht. So hat es das Amtsgericht (AG) München nun entschieden. |

Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis fristlos und erhob Räumungsklage, weil sich der Mieter gegenüber der Hausverwalterin in einem Brief u. a. so geäußert hatte: „Hoffentlich trifft Sie der Blitz, Frau H.!“. Außerdem hatte er die Hausverwalterin als „grenzdebil“ bezeichnet.

Beleidigungen und Drohungen können einen Grund zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses darstellen, so das AG. Die o. g. Formulierung des Briefs überschreite die Grenze des Zumutbaren ebenso wie die Bezeichnung der Hausverwalterin als „grenzdebil“ und rechtfertige die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses ohne vorherige Abmahnung. Von einem Augenblicksversagen durch Spontanäußerungen, das die Beleidigungen in einem milderen Licht erscheinen lasse, könne im Hinblick auf die zweieinhalbseitige schriftliche Abfassung nicht ausgegangen werden.

Zwar ist die Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz (Art. 5 GG) geschützt. Daher überschreitet nicht jede deftige Formulierung die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik. Wünscht ein Mieter der Hausverwalterin aber den Tod, ist diese Schwelle überschritten. Die Kündigung ist in solchen Fällen ohne vorherige Abmahnung möglich.

Quelle | AG München, Urteil vom 24.6.2022, 461 C 19994/21

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Vertragsgestaltung: Klausel zur Fernabschaltung einer Autobatterie durch den Vermieter unwirksam

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Zulässigkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Mietvertrags über eine Autobatterie entschieden, die dem Vermieter eine Fernabschaltung der Batterie ermöglicht. |

Das war geschehen

Der Kläger hat als Verbraucherschutzverein gegen die Beklagte, eine französische Bank, die Unterlassung der Verwendung von AGB-Klauseln bei Vermietung von Batterien für Elektrofahrzeuge geltend gemacht. Die Beklagte vermietet Batterien für von ihren Kunden gekaufte oder geleaste Elektrofahrzeuge. Hierfür verwendet sie „Allgemeine Batterie-Mietbedingungen“, die ihr als Vermieterin im Fall der außerordentlichen Vertragsbeendigung durch Kündigung nach entsprechender Ankündigung die Sperre der Auflademöglichkeit der Batterie erlauben. Der Kläger macht geltend, die AGB-Klausel sei unwirksam, weil sie eine unangemessene Benachteiligung der Mieter enthalte.

Das Landgericht (LG) hat die Vermieterin antragsgemäß zur Unterlassung einer Verwendung der Klausel gegenüber Verbrauchern verurteilt. Das Berufungsgericht hat die von ihr eingelegte Berufung zurückgewiesen. Das Sperren der Auflademöglichkeit stelle eine sog. verbotene Eigenmacht dar; ein Eingriff in die unmittelbare Sachherrschaft des Besitzers dürfe aber nur aufgrund eines staatlichen Vollstreckungstitels erfolgen.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Der BGH: Die streitgegenständliche Klausel stellt eine einseitige Vertragsgestaltung dar, mit der die Beklagte missbräuchlich die eigenen Interessen auf Kosten der Mieter durchzusetzen versucht, ohne deren Interessen angemessen zu berücksichtigen. Durch die allein in der Macht des Vermieters liegende Sperrmöglichkeit wird die Last, sich die weitere Nutzung zu sichern, auf den Mieter abgewälzt. Darin liegt jedenfalls dann eine unangemessene Benachteiligung des Mieters als Verbraucher, wenn dieser die Weiterbenutzung seines gesondert erworbenen, geleasten oder gemieteten E-Fahrzeugs im Streitfall nur durch gerichtliche Geltendmachung einer weiteren Gebrauchsüberlassung der Batterie erreichen kann.

Batteriesperre war unangemessen

Zwar liegt es grundsätzlich im berechtigten Interesse des Vermieters, dass er nach wirksamer Beendigung des Mietvertrags die weitere Nutzung des Mietobjekts unterbinden kann. Auf der anderen Seite steht aber das Interesse des Mieters, sich die weitere Vertragserfüllung zu sichern. Dieses ist als berechtigt anzuerkennen, wenn die Wirksamkeit der Kündigung zwischen den Vertragsparteien streitig ist. Beruft sich etwa der Mieter auf eine Mietminderung oder ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln, läuft er Gefahr, dass der Vermieter ungeachtet dessen die Kündigung erklärt und das Mietobjekt per Fernzugriff sperrt. Das gewinnt insbesondere dann an Bedeutung, wenn das Mietobjekt und dessen fortgesetzte Nutzung für den Mieter von erheblichem Interesse sind.

Absicherung über Mietkaution wäre möglich gewesen

Dementsprechend ist die gesetzliche Risikoverteilung beim Mietverhältnis dadurch geprägt, dass der Vermieter aufgrund der Überlassung des Mietobjekts grundsätzlich das Risiko der nach Mietvertragsbeendigung fortgesetzten (Ab-)Nutzung trägt. Dagegen kann er sich durch Vereinbarung einer Mietkaution absichern. Außerdem steht ihm ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung zu. Die streitgegenständliche Klausel erlaubt dagegen einen Zugriff auf die Batterie und mittelbar auch auf das E-Fahrzeug, das für den Mieter infolge der Batteriesperrung nutzlos wird. Dadurch, dass die Batterie herstellergebunden und mit dem E-Fahrzeug verknüpft ist, hat der Mieter keine zumutbare Möglichkeit, die gesperrte Batterie durch ein anderes Fabrikat zu ersetzen, um das E-Fahrzeug weiter betreiben zu können. Mit dem E-Fahrzeug wird somit neben der Batterie ein wesentlich höherwertiger Vermögensbestandteil für ihn unbrauchbar bzw. ein Nutzungsrecht daran entwertet. Hinzu kommt, dass das längerfristig angeschaffte bzw. gesondert gemietete oder geleaste E-Fahrzeug vom Mieter oft beruflich genutzt wird und regelmäßig auch für die private Lebensgestaltung von wesentlicher Bedeutung ist.

AGB-Klausel nicht rechtskonform

Wenn unter diesen Umständen bei einem Streit über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung abweichend von der gesetzlichen Risikoverteilung die Klagelast durch AGB auf den Mieter abgewälzt werden soll, verstößt die entsprechende Klausel gegen geltendes Recht (hier: § 307 Abs. 1, 2 BGB). Denn der mit der Sperrung einhergehende Ausschluss von der Nutzung der Batterie und folglich auch des E-Fahrzeugs geht mit seinen Wirkungen über die Batterie als Mietobjekt wesentlich hinaus. Eine solche Gestaltung lässt sich auch nicht durch das Interesse der Beklagten an der Sicherung gegen den mit der Abnutzung der Batterie nach Vertragsbeendigung verbundenen Vermögensschaden rechtfertigen.

Quelle | BGH, Urteil vom 26.10.2022, XII ZR 89/21, PM 151/22

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Verbraucherrecht


Reiserecht: Kreuzfahrt: Ohne Corona-Impfung keine Kostenerstattung

| Die Corona-Pandemie hat für viele Menschen Einfluss auf deren Urlaubsplanung gehabt. Mit dem Beginn der Impfungen haben auch zahlreiche Reiseveranstalter ihre Tätigkeit wieder aufgenommen. Voraussetzung für die Reise war aber oft ein vollständiger Impfschutz. Das Amtsgericht (AG) Ansbach musste sich nun mit der Klage einer Frau beschäftigen, der der Zugang zu einem Kreuzfahrtschiff wegen fehlender Impfung verweigert wurde. Daher verlangte sie den Reisepreis und die Kosten für eine Übernachtung am Hafen in Höhe von knapp 2.000 Euro von der Reederei zurück. |

Das war geschehen

Anfang September 2021 buchte die Frau für ihren Mann und sich bei einer amerikanischen Kreuzfahrtgesellschaft eine Mittelmeerkreuzfahrt. Als das Paar Anfang Oktober die Reise antreten wollte, wurde ihnen der Zugang zum Schiff verweigert, da sie keinen vollständigen Impfschutz durch zwei Impfungen nachweisen konnten. Das Ehepaar war im März 2021 an Corona erkrankt gewesen und hat sich nach der damals gültigen Empfehlung des Robert-Koch-Instituts noch einmal vor der geplanten Einschiffung impfen lassen.

Internationale Reederei: Empfehlungen des deutschen RKI nicht maßgeblich

Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Reederei hatte nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie nur vollständig geimpfte Gäste an Bord lässt, die zweimal mit einem Impfstoff des gleichen Herstellers geimpft sind. Dieser Hinweis fand sich sowohl bei der Buchung als auch auf einer zusätzlichen Informationsseite der Reederei auf deren Homepage. Nachdem es sich bei der Reederei um einen international tätigen Konzern mit Hauptsitz in den Vereinigten Staaten handelt, konnte sich das Ehepaar auch nicht darauf verlassen, dass diese den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts folgen würde. Außerdem war im September 2021 bereits bekannt, dass die meisten Impfstoffe für einen vollständigen Impfschutz zwei Impfdosen benötigten.

Nachdem die Klägerin ihre zunächst eingelegte Berufung wieder zurückgenommen hat, ist das Urteil rechtskräftig.

Quelle | AG Ansbach, Urteil vom 1.4.2022, 2 C 1102/21, PM 4/22

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Diffamierung im Internet: Wer „löschen“ muss, muss gründlich sein …

| Häufig beantragen Gläubiger Ordnungsgelder gegen Schuldner, wenn diese diffamierende Internetinhalte nicht löschen. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat noch einmal betont, wie weitreichendend die Pflichten der Schuldner sind: Diese müssen auch an Verlinkungen und Cachespeicher von Suchmaschinen denken. Sie können nicht damit argumentieren, dass sie den Überblick verloren haben. |

Das war geschehen

Der Schuldner hatte auf einer Internetplattform einen Artikel veröffentlicht („Ist Frau K. S. eine Kinderrechteschänderin?“) und verlinkte in einer Online-Gruppe auch zu seinem Artikel. Das Landgericht (LG) Stade verpflichtete ihn, es zu unterlassen, sich über die Gläubigerin identifizierend zu äußern oder zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, diese wäre eine Kinderrechteschänderin. Obwohl ihm der Beschluss schon am 4.4.2022 zuging, waren Links zu dem Artikel danach noch abrufbar. Den Artikel selbst hatte er allerdings schon gelöscht. Die Gläubigerin legte dem Gericht Screenshots vor, sodass dieses wegen Zuwiderhandlung gegen seine Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld von 1.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, gegen den Schuldner verhängte.

Inhalte sind nachhaltig aus dem Netz zu entfernen

Schuldner müssen in solchen Fällen den „fortdauernden Störungszustand“ beseitigen. Bezogen auf Aussagen im Internet heißt das, dass mit geeigneten Maßnahmen sicherzustellen ist, dass die Inhalte nicht mehr im Netz abrufbar sind, und zwar weder über die Webseite direkt noch über eine Internetsuchmaschine. Es besteht die Pflicht, auf gängige Suchmaschinen vor allem Google einzuwirken, damit der gelöschte Beitrag nicht weiter über Suchmaschinen infolge einer Speicherung in deren Cachespeicher erreichbar ist. Der Schuldner hätte also in den besuchten Gruppen aktiv nach seinen auch älteren, weiter zurückliegenden Beiträgen forschen und sie löschen lassen müssen.

Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.8.2022, 5 W 25/22, Abruf-Nr. 231584 unter www.iww.de; OLG Celle, Beschluss vom 21.8.2017, 13 W 45/17

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Verwaltungsrecht: Fiktives Geburtsdatum im Ausweis nicht erlaubt

| Ein im Jahr 1957 in Algerien geborener Kläger mit deutscher Staatsangehörigkeit, dessen konkretes Geburtsdatum unbekannt ist, hat keinen Anspruch auf Eintragung eines fiktiven Geburtsdatums in seinen Personalausweis und seinen Reisepass. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz. |

Geburtsdatum unbekannt

Im Personalausweis und im Reisepass des Klägers ist als Geburtsdatum „XX.XX.1957“ eingetragen. Hintergrund ist der Umstand, dass der Kläger, dem sein tatsächliches Geburtsdatum unbekannt ist, kein Dokument seines Geburtslandes vorlegen konnte, das ein konkretes Geburtsdatum ausweist. Er verfügt lediglich über einen Auszug aus dem Geburtenregister seines Geburtslandes, aus dem sich sein Geburtsjahr ergibt, nicht jedoch der konkrete Geburtsmonat bzw. -tag. Auch seine alte und leicht demente Mutter kennt seinen Angaben zufolge das genaue Geburtsdatum nicht.

Nachteile wegen fehlender Angaben

Seinen Antrag, ihm neue Ausweisdokumente auszustellen und darin ein fiktives Datum einzutragen, lehnte die Stadt Ludwigshafen ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob er Klage, mit der er sein Begehren weiterverfolgte. Hierzu machte er geltend, infolge der unvollständigen Eintragungen in seinen Ausweisdokumenten erleide er immer wieder erhebliche Nachteile, insbesondere bei Reisen in außereuropäische Länder, bei der Korrespondenz mit dem Finanzamt oder wenn er im Internet einen Vertrag abschließen wolle, bei dem seitens des Vertragspartners die Angabe des Geburtsdatums als zwingende Voraussetzung gefordert werde.

Das Verwaltungsgericht (VG) gab der Klage statt und verpflichtete die beklagte Stadt, in den Personalausweis und den Pass des Klägers einen konkreten Geburtstag und Geburtsmonat einzutragen. Der Kläger habe zur Wahrung seines Persönlichkeitsrechts und aus Gründen des im Rechtsstaatsgebot wurzelnden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einen Anspruch auf Eintragung eines „echten“ Geburtsdatums in seinen Ausweisdokumenten. Dies könne z. B. der 1. Januar oder auch ein anderer Tag sein. Auf die Berufung der Beklagten hob das OVG das Urteil auf und wies die Klage ab.

Oberverwaltungsgericht: Kein Anspruch des Klägers auf gegriffenes Geburtsdatum

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Eintragung eines gegriffenen Geburtsdatums hier in Form eines fiktiven Geburtsmonats und -tags in seinen Personalausweis oder Reisepass. Schon das VG habe zutreffend festgestellt, dass aus dem Anspruch auf Ausstellung eines Ausweises oder Passes nach den Vorschriften des Personalausweis- und des Passgesetzes grundsätzlich nur ein Anspruch auf Eintragung der richtigen Daten im Dokument folge. Ein Anspruch des Klägers auf Erfassung eines gegriffenen Geburtsdatums in seinen Ausweisdokumenten folge auch nicht aus europarechtlichen Regelungen. Vielmehr existiere sowohl für den Reisepass als auch den Personalausweis (jeweils) eine europäische Verordnung, die die Behandlung unbekannter Geburtsdaten entsprechend der Vorgehensweise der Beklagten ausdrücklich vorsehe.

Gesetzgeber gefordert

Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht lasse sich vorliegend weder im Hinblick auf die Grundrechte des Grundgesetzes noch in Bezug auf die Unionsgrundrechte feststellen. Die ausschließliche Erfassung wahrer Geburtsdaten und die Eintragung von Platzhaltern für unbekannte Bestandteile dieses Datums seien ohne Weiteres geeignet, die hiermit vom Gesetzgeber offensichtlich bezweckte inhaltliche Richtigkeit sämtlicher Personaldateneintragungen in den Ausweisdokumenten bestmöglich zu gewährleisten. Daneben würden mit dieser Vorgehensweise einheitliche Sicherheitsstandards für Pässe und Reisedokumente zum Schutz vor Fälschungen bzw. zur Verhinderung eines Identitätsbetrugs festgelegt. Mildere, gleich geeignete Mittel seien im Hinblick auf die erstrebte umfassende inhaltliche Richtigkeit der Personaldateneintragungen bereits nicht ersichtlich. Schließlich werde die Grenze der Zumutbarkeit bei der gebotenen Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe vorliegend noch gewahrt. Soweit es aufseiten des Klägers zu Beeinträchtigungen komme, insbesondere in den Bereichen Reisen, Online-Vertragsabschlüsse sowie über das Internet abzugebende Erklärungen gegenüber Behörden, stünden ihm regelmäßig andere Wege offen, um seine Vorhaben umzusetzen, die ihn (noch) nicht über die Maße belasteten. Es sei Sache des Gesetzgebers, darüber zu befinden, ob bei weiter voranschreitender Digitalisierung eine Änderung der derzeitigen Gesetzeslage geboten erscheine.

Quelle | OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.11.2022, 7 A 10318/22, PM 19/22

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Datenschutzrecht: Schufa-Eintrag bei bestrittener Forderung unzulässig

| Haben Inkassounternehmen bei der Einziehung von Forderungen keinen Erfolg, melden sie dies regelmäßig als „Zahlungsstörung“ an die Wirtschaftsauskunftei Schufa. Die Folge: ein negativer Eintrag des Schuldners, der dann Probleme bei der Kreditkartenzahlung oder der Eröffnung eines Girokontos bekommen kann. Das Landgericht (LG) Frankenthal hat nun in einem Eilverfahren gezeigt, dass eine Weitergabe solcher Daten an die Schufa nur in Grenzen zulässig ist. Der Schuldner muss über die Informationsweitergabe unterrichtet werden; wenn er bestreitet, dass die Forderung besteht, darf kein Eintrag erfolgen. Werden die Daten trotzdem übermittelt, kann der Schuldner verlangen, dass die Meldung widerrufen und künftig unterlassen wird. |

Das war geschehen

Eine Frau erhielt ein Schreiben eines Inkassounternehmens wegen einer Forderung in Höhe von rund 900 Euro. Der Rückstand sollte aus einem lange zurückliegenden Mietstreit stammen. Die Frau wies die Forderung als nicht begründet zurück und hörte dann erst einmal nichts mehr von der Sache. Einige Monate später erfuhr sie von einem negativen Schufa-Eintrag zu ihrer Person. Aufgrund dieses Eintrags wurde ihre Kreditkarte gesperrt, Kreditkartenzahlungen nicht mehr angewiesen und die Eröffnung eines Girokontos abgelehnt. Sie wandte sich deshalb mit einem Eilantrag an das LG.

Landgericht: Meldung der Zahlungsstörung ist zu widerrufen

Das LG hat das Inkassounternehmen dazu verpflichtet, die Meldung der Zahlungsstörung an die Schufa zu widerrufen. Wegen dieser Forderung darf künftig keine Meldung erfolgen.

Nach der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) sei die Verarbeitung personenbezogener Daten nämlich nur gestattet, wenn dies zur Wahrung von berechtigten Interessen erforderlich sei und nicht die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person verletze. Wer von solchen Einträgen betroffen sei und die Forderung bestreite, müsse deshalb das Recht haben, sich rechtzeitig dagegen zur Wehr zu setzen. Hiergegen sei vorliegend verstoßen worden, so das LG.

Gegen diese Entscheidung im Eilverfahren hat das Inkassounternehmen keinen Widerspruch eingelegt.

Quelle | LG Frankenthal, Beschluss vom 28.6.2022, 8 O 163/22, PM vom 26.10.2022

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Nachbarschaftsstreit: Regelmäßiger Verstoß gegen Vereinbarung: ein teures Parkvergnügen!

| Wenn Parteien einen Vergleich schließen, weil sich Nachbarn durch Parkgewohnheiten behindern, sollte man sich an die „Spielregeln“ halten. Andernfalls kann dies mehrfach erhebliche Beträge kosten im vorliegenden Fall noch einmal 9.300 Euro, wie das Oberlandesgericht (OLG) Dresden nun entschieden hat. |

Die Parteien wohnen einander direkt gegenüber in einer engen Wohnstraße. Seit einigen Jahren stellt sich der Beklagte mit seinem Pkw regelmäßig direkt auf die Straße vor seiner eigentlichen Grundstückseinfahrt und damit genau gegenüber der Einfahrt der Klägerin , obwohl er auch etwas versetzt oder in seiner eigenen Einfahrt parken könnte. Hierdurch kann die Klägerin aus ihrer Einfahrt nur sehr schwer hinein- und herausfahren.

Schon 2019 war der inzwischen verstorbene Ehemann der Klägerin gerichtlich gegen die Parkgewohnheiten des Nachbarn vorgegangen. Damals hatten die Parteien einen Vergleich geschlossen, wonach der Beklagte sein Auto täglich bis zu fünfmal für maximal 10 Minuten auf der Straße vor seiner Grundstückseinfahrt abstellen darf. Für jeden Verstoß wurde eine Vertragsstrafe von 150 Euro vereinbart.

Der Beklagte stellte in der Folge sein Fahrzeug weiter an gewohnter Stelle ab. Die Klägerin, die nach dem Tod ihres Ehemannes in den Prozess eingetreten ist, und ihr Ehemann protokollierten die zahlreichen Parkverstöße des Nachbarn und machten die Vertragsstrafen gerichtlich geltend. 2020 verurteilte das Landgericht (LG) den Beklagten wegen 44 Verstößen dazu, 3.300 Euro an die Kläger zu zahlen, und 2021 wegen 83 weiteren Verstößen 11.850 Euro zu zahlen. Im März 2022 hat das Landgericht (LG) den Beklagten wiederum zur Zahlung einer Vertragsstrafe verurteilt, diesmal wegen 67 Verstößen zu 10.500 Euro. Seine dagegen eingelegte Berufung blieb im Wesentlichen erfolglos. Lediglich acht Verstöße hat das OLG nicht als erwiesen angesehen und die Vertragsstrafe deshalb um 1.200 Euro reduziert.

Weshalb der betagte Beklagte sein Parkverhalten trotz guten Zuredens durch das Gericht nicht ändert und es vorzieht, in regelmäßigen Abständen zu hohen Vertragsstrafen verurteilt zu werden, weiß niemand.

Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 18.10.2020, 6 U 580/22, PM vom 20.10.2022

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Verkehrsrecht


Betrugsrisiko: Vorsicht bei unbegleiteten Probefahrten

| Wer einem Kaufinteressenten einen Pkw für eine unbegleitete Probefahrt überlässt, riskiert im schlimmsten Fall, dass der vermeintliche Interessent das Fahrzeug einer anderen Person wirksam verkauft und übereignet. Ein solcher Fall lag nun dem Oberlandesgericht (OLG) Celle vor. |

Das war geschehen

Ein Autohaus gab einem angeblichen Kaufinteressenten einen Audi Q5 für eine einstündige Probefahrt. Der Interessent, der falsche Personalien angegeben hatte, kehrte nicht zurück. Stattdessen inserierte er das Fahrzeug auf der Verkaufsplattform Ebay und verkaufte es schließlich für 31.000 Euro in bar. Bei dem Verkauf übergab seine Frau dem Käufer gefälschte Fahrzeugpapiere. Der Käufer übergab das Fahrzeug zwei Wochen später der Polizei, die es dem Autohaus zurückgab. Dieses verkaufte es anschließend für 35.000 Euro. Der getäuschte Käufer verlangt diesen Erlös heraus.

Getäuschter Käufer verklagte das Autohaus

Zu Recht, so das OLG, weil er das Eigentum wirksam von dem „Betrüger“ erlangt hatte. Zwar kann grundsätzlich nur der Eigentümer wirksam über eine Sache verfügen. Übergibt ein Nichtberechtigter die Kaufsache aber beim Verkauf an den Käufer, kann dieser auch dann Eigentümer werden, wenn die Sache tatsächlich nicht dem Verkäufer gehörte.

Autohaus handelte fehlerhaft

Ein solcher sog. gutgläubiger Erwerb von einem Nichtberechtigten scheidet zwar aus, wenn die Kaufsache dem wahren Eigentümer gestohlen wurde oder ihm sonst abhandengekommen ist. Hier hatte das Autohaus den Wagen aber freiwillig für eine unbegleitete einstündige Probefahrt herausgegeben. Damit hatte es den Besitz an dem Pkw freiwillig aufgegeben, auch wenn das Auto über eingebaute SIM-Karten geortet werden konnte. Diese Ortungsmöglichkeit stand einer Begleitung bei der Probefahrt schon deshalb nicht gleich, weil eine Ortung nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung über die Polizei und den Hersteller möglich war. Sie schloss einen gutgläubigen Erwerb des Wagens daher nicht aus.

Professionelle Fälschung der Kfz-Papiere nicht zu erkennen

Darüber hinaus scheidet ein gutgläubiger Erwerb zwar auch dann aus, wenn der Käufer grob fahrlässig nicht erkannt hat, dass der Verkäufer nicht der Eigentümer war. Bei dem Kauf eines Kraftfahrzeugs muss er sich zumindest den Kraftfahrzeugbrief bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lassen, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Die Zulassungsbescheinigung war hier aber so professionell gefälscht, dass der Käufer die Fälschung nicht erkennen musste. Der Verkauf eines gebrauchten Pkw auf der Straße gegen Bargeld ist nach Auffassung des Senats auch nicht unüblich und musste keinen Verdacht erwecken, zumal der Kaufpreis nicht auffallend günstig war. Dass der Verkäufer den Zweitschlüssel nicht mit übergeben konnte, hatte er nachvollziehbar damit erklärt, dass sich der Käufer erheblich verspätet hatte, er selbst nicht habe warten können und vergessen habe, seiner Frau den Zweitschlüssel zu geben.

Quelle | OLG Celle, Urteil vom 12.10.2022, 7 U 974/21, PM vom 20.10.2022

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Fahreignung: Fahrerlaubnisentziehung wegen Nichtvorlage eines fachärztlichen Gutachtens

| Das Verwaltungsgericht (VG) Trier hat einen Eilantrag gegen eine Fahrerlaubnisentziehung wegen Nichtbeibringung eines angeforderten fachärztlichen Gutachtens über die Fahreignung abgelehnt. |

Das war geschehen

Der 89-jährige Antragsteller wurde im Februar des Jahres von der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde dazu aufgefordert, sich einer fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen, weil Zweifel an seiner Fahreignung entstanden seien. Nach einem hausärztlichen Attest leide er unter Hypertonie und Sturzneigung. Hinzu kämen zahlreiche weitere Aspekte, die Bedenken gegen die Fahreignung nahelegten. Der Senior sei 2017 und 2021 in Parkraumunfälle verstrickt gewesen und habe bei den jeweiligen Unfallaufnahmen durch Polizeibeamte einen verwirrten Eindruck hinterlassen. Anlässlich der letzten Verkehrsunfallaufnahme sei zudem eine Vielzahl von alten Unfallschäden am gesamten Fahrzeug festgestellt worden. Diese Schäden habe der Senior nicht plausibel erklären können, sondern habe insoweit widersprüchliche Angaben gemacht.

Angefordertes Gutachten nicht vorgelegt

Der Senior legte ein entsprechendes Gutachten innerhalb der ihm gesetzten Frist von vier Monaten nicht vor; einen ihm angebotenen Begutachtungstermin im Juni des Jahres nahm er nicht wahr. Daraufhin entzog ihm die Fahrerlaubnisbehörde mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid die Fahrerlaubnis.

Fahrerlaubnisrechtliche Nichteignung des Seniors

Zu Recht, so das VG. Die Fahrerlaubnisbehörde sei rechtlich zutreffend von der fahrerlaubnisrechtlichen Nichteignung des Seniors ausgegangen, nachdem dieser das im Februar angeforderte fachärztliche Gutachten nicht vorgelegt habe. Sie sei berechtigt, Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn Tatsachen bekannt würden, die für sich gesehen noch nicht für eine rechtsfehlerfreie Annahme einer fahrerlaubnisrechtlichen Nichteignung ausreichten, die aber konkrete Bedenken an der Fahreignung des Betroffenen begründeten. Weigere der Betroffene sich, eine berechtigterweise angeordnete Begutachtung durchführen zu lassen, oder lege er das Untersuchungsergebnis nicht fristgerecht vor, könne die Behörde auf die Nichteignung schließen.

Begründete Bedenken an Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen

Vorliegend sei die Gutachtensanforderung berechtigterweise erfolgt. Der Fahrerlaubnisbehörde seien Tatsachen bekannt geworden, die Bedenken an der körperlichen oder geistigen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründeten. Ausreichend seien insoweit alle Tatsachen, die nachvollziehbar den Verdacht rechtfertigten, es könne eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegen. Ob solche Verdachtsmomente vorlägen, beurteile sich nach den gesamten Umständen des Einzelfalls. Diese rechtfertigten vorliegend die getroffene Gutachtensanordnung.

Erkrankungen und Vielzahl an Unfallschäden lagen vor

Die ärztlich attestierte Hypertonie und Sturzneigung reichten für sich genommen bereits aus, um Zweifel an der Eignung des Seniors zum Führen von Kraftfahrzeugen zu begründen; erst recht gelte dies in der Gesamtschau der vielen bekannt gewordenen weiteren Umstände. Anlässlich der Verkehrsunfallaufnahmen 2017 und 2021 habe er einen verwirrten Eindruck und teilweise nicht nachvollziehbare Angaben zum Unfallgeschehen gemacht. Im Übrigen seien im Rahmen der Verkehrsunfallaufnahme viele alte Unfallschäden am Pkw vorgefunden worden, deren Entstehung nicht nachvollziehbar, sondern vielmehr mit sich widersprechenden Angaben erklärt worden sei. All dies begründe erhebliche Eignungszweifel. Die dem Senior eingeräumte Frist von vier Monaten zur Vorlage des Gutachtens sei angemessen gewesen. Er habe im Juni des Jahres auch die Möglichkeit zur Wahrnehmung eines Gutachtertermins gehabt. Diesen habe er jedoch in vorwerfbarer Weise nicht wahrgenommen.

Quelle | VG Trier, Beschluss vom 13.9.2022, 1 L 2108/22.TR, PM 24/22

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Frontalunfall: (Keine) Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr?

| Wer sich sieben Wochen in einem Land mit Linksverkehr aufhielt, handelt regelmäßig lediglich unachtsam und nicht rücksichtslos, wenn er bei seiner ersten Fahrt in Deutschland gegen das Rechtsfahrgebot verstößt. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken nun klargestellt. |

 

Siebenwöchiger Urlaub in Thailand

Der Angeklagte verbrachte einen siebenwöchigen Urlaub in Thailand. Noch am Tag seiner Rückkehr fuhr er mit seinem Pkw auf der linken Spur einer Landstraße. Nach zwei bis drei Minuten Fahrtzeit kollidierte er in einem Kurvenbereich frontal mit einem auf derselben Fahrspur entgegenkommenden Pkw. Der Angeklagte hatte sich weder vor Fahrtantritt noch während der Fahrt darüber Gedanken gemacht, dass in Deutschland anders als in Thailand Rechtsverkehr herrscht. Die Unfallgegnerin und ihr Beifahrer wurden bei dem Unfall verletzt.

Amtsgericht und Landgericht mit „harten Entscheidungen“

Das Amtsgericht (AG) hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt, die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von weiteren acht Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Das Landgericht (LG) Kaiserslautern hat diese Entscheidung bestätigt.

Oberlandesgericht lässt Milde walten

Auf die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat das OLG das Urteil dahin geändert, dass der Angeklagte der fahrlässigen Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist, nicht jedoch der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung. Wegen der deshalb auszusprechenden Rechtsfolgen muss sich das LG erneut mit dem Fall befassen.

Zur Begründung hat das OLG ausgeführt: Eine fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung setze ein rücksichtsloses Handeln voraus, was im Fall des Angeklagten nicht angenommen werden könne. Rücksichtslos handele ein Fahrer, der sich konkret seiner Pflicht bewusst sei, sich aber dennoch nicht an sie halte. Rücksichtslos handele auch, wem es egal sei, ob er sich an seine Pflichten als Teilnehmer im Straßenverkehr halte und einfach, ohne an die Folgen zu denken, drauflosfahre. Es müsse sich um ein überdurchschnittliches Fehlverhalten handeln, das von einer besonders verwerflichen Gesinnung geprägt sei. Gelegentliche Unaufmerksamkeit oder reine Gedankenlosigkeit würden hierfür nicht genügen. Der Angeklagte habe sich hier zwar über das Rechtsfahrgebot hinweggesetzt. Dabei habe er aber nicht bewusst oder aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen Straßenverkehrsteilnehmern gehandelt, sondern lediglich aus Unachtsamkeit, nachdem er sich sieben Wochen in einem Land aufgehalten habe, in dem Linksverkehr herrsche.

Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28.11.2022, 1 OLG 2 Ss 34/22, PM vom 6.2.2023

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Abschließende Hinweise


Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum 30. Juni 2023 beträgt 1,62 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 6,62 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 10,62 Prozent*

* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 9,62 Prozent.

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.07.2022 bis 31.12.2022

-0,88 Prozent

01.01.2022 bis 30.06.2022

-0,88 Prozent

01.07.2021 bis 31.12.2021

-0,88 Prozent

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

01.07.2011 bis 31.12.2011

0,37 Prozent

01.01.2011 bis 30.06.2011

0,12 Prozent

01.07 2010 bis 31.12.2010

0,12 Prozent

01.01.2010 bis 30.06.2010

0,12 Prozent

01.07 2009 bis 31.12.2009

0,12 Prozent

01.01.2009 bis 30.06.2009

1,62 Prozent

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Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 03/2023

| Im Monat März 2023 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer (Monatszahler): 10.3.2023
  • Lohnsteuer (Monatszahler): 10.3.2023
  • Einkommensteuer (vierteljährlich): 10.3.2023
  • Kirchensteuer (vierteljährlich): 10.3.2023
  • Körperschaftsteuer (vierteljährlich): 10.3.2023

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 13.03.2023. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat März 2023 am 29.03.2023.

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